Kommentar von Geschäftsführer Karl-Heinz Neumann:
Ein Aktionsprogramm für das Breitbandnetz der Zukunft
Auf dem dritten nationalen IT-Gipfel der Bundesregierung am 20. November stand das Thema Breitband (neben anderen wichtigen IT-Themen) im Mittelpunkt der Diskussion. Für die Erörterungen zwischen Wirtschaft und Politik lag ein Strategiepapier „Breitband der Zukunft“ vor, das auch gemeinsam beschlossen wurde. Neben einer (zunächst) guten Situationsanalyse wird ein neun Punkte umfassender Maßnahmekatalog aufgestellt, der von den Akteuren in Staat und Wirtschaft umgesetzt werden soll.
Mit dem Aktionsprogramm sollen drei grundlegende Ziele zur Realisierung einer flächendeckenden und hochleistungsfähigen Breitbandinfrastruktur bis 2015 erreicht werden:
1. Breitband für möglichst alle – Schließung der Lücken in der Breitbandversorgung im ländlichen Raum
2. Aufbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen – Kabel- und Glasfasernetze für Bandbreiten von 100 Mbps und mehr
3. Unterstützung und Weiterentwicklung von Breitbandanwendungen.
Um diese Ziele zu erreichen wird ein neun Punkte umfassender Maßnahmekatalog als notwendig erachtet. Dieser reicht von einem Glasfaser- und Leerrohrkataster bis zur (Mit)- Benutzung vorhandener Infrastruktur anderer Versorgungsunternehmen, dem Abbau von Regulierung und von Öffentlichkeitsarbeit zur Bedeutung von Infrastrukturprojekten.
Der Maßnahmekatalog des IT-Gipfels
Ist nun der Stein des Weisen gefunden und steht zu erwarten, dass mit dem Maßnahmekatalog des ITGipfels und seiner Umsetzung der Durchbruch zu Glasfaseranschlüssen bzw. generell zu Next Generation Access in Deutschland gelingt? Zunächst die positive Einschätzung: (Nahezu) alle vorgeschlagenen Maßnahmen sind sinnvoll und zielführend zur Förderung der Entwicklung von Next Generation Access. Gleichwohl bleibt aber bereits hier kritisch anzumerken, dass Ziele und Maßnahmen unscharf und viel zu generell beschrieben sind. Dies fängt bei den Zielen an: Wann sollen etwa in welcher Flächendeckung wie viel Prozent der Bevölkerung Zugang zu Hochgeschwindigkeitsnetzen mit welcher Bandbreite erhalten können? Nationale Glasfaserpläne, wie sie in diesem Jahr etwa in Finnland, Großbritannien, Australien und Singapur formuliert wurden, sind hier deutlich präziser. So sieht etwa der finnische Glasfaserplan vor, dass bis 2015 für jeden Haushalt und jedes Unternehmen ein Zugang zum Hochleistungsbreitbandnetz mit mindestens 100 Mbps verfügbar sein soll. Soweit dieses Ziel nicht (ausschließlich) mit privatwirtschaftlicher Initiative darstellbar ist, wird der Glasfaserinfrastrukturaufbau in Finnland bis zu 67% der erforderlichen Investitionen über staatliche Zuschüsse dargestellt.
Bei näherem Hinsehen über den Maßnahmekatalog des IT-Gipfels ist man geneigt festzustellen: Das kann doch nicht alles gewesen sein! Es fängt bei der Situationsanalyse an: Zwar stellt der IT-Gipfel zutreffend fest: „Ein flächendeckender Ausbau [von Hochleistungsnetzen] ist zumeist nicht wirtschaftlich realisierbar.“ Nach unseren eigenen Berechnungen1 können in Deutschland Glasfasernetze (FTTB/H) für bis zu 25% der Bevölkerung oder ca. 12 Mio. Anschlüsse profitabel errichtet werden. Deutlich weiter ausgebaut werden können VDSL-Netze. In jedem Falle erfordert ein profitabler Netzausbau von FTTB/H-Netzen jedoch hohe kritische Marktanteile, die in der Regel bei 50% und mehr liegen. Dieses Ergebnis gilt nicht nur für Deutschland, sondern generell in Europa: In keinem Land lassen sich profitabel auf privatwirtschaftlicher Basis flächendeckend Hochleistungsnetze errichten. Wohlgemerkt, wir reden hier nicht über das Problem der „Weißen Flecken“ der Breitbandversorgung über DSL, nach dem je nach Abgrenzung 2% bis 5% der Haushalte derzeit keinen (relativ langsamen) Breitbandzugang erhalten. Wir reden darüber, dass ein Zugang zu Hochleistungsnetzen nur für (deutlich) weniger als 50% der Bevölkerung und der Unternehmen profitabel darstellbar ist. Kann es sich eine Volkswirtschaft wie die deutsche leisten, dass auf Sicht weniger als 50% der Haushalte und Unternehmen Zugang zu den modernen Hochleistungsnetzen der elektronischen Kommunikation erhalten? Angesichts unserer vergleichsweise dezentral räumlich verteilten Wirtschaftsstandorte wäre dies fatal. Bereits heute, bei wohlgemerkt 2 bis 5% weißen Flecken der DSL-Versorgung führen die relativ geringen Versorgungslücken zu wirtschaftlichen Standortproblemen in manchen regionalen Wirtschaftsräumen. Dieser Hinweis sollte Indikation genug sein, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland eine derartige Kluft bei der Verfügbarkeit von Zugang zu Hochleistungsnetzen nicht verkraften kann.
Finanzmarktkrise und Investitionen in Glasfasernetze
Unter heutigen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen stellt sich das Problem noch deutlich verschärfter dar: Die Finanzmarktkrise hat dazu geführt, dass die Eigenkapital- und die Fremdkapitalkosten der Unternehmen (deutlich) gestiegen sind. Dies trifft natürlich die extrem kapitalintensiven Glasfaserprojekte besonders stark; der profitable Glasfaser- Roll-out ist äußerst sensitiv gegenüber den Kapitalkosten. Hinzu kommt, dass die abnehmende Risikobereitschaft der Banken auch dazu führt, dass an sich profitable Glasfaserprojekte angesichts von bestehenden Projektrisiken überhaupt nicht mehr finanziert werden. Dies gilt insbesondere, da der Zeithorizont von Investoren heute eher kürzer geworden ist und damit langfristig orientierte Infrastrukturinvestitionen generell ein (privatwirtschaftliches) Finanzierungsproblem haben. War vor der Finanzmarktkrise vielleicht noch ein Ausbaugrad von Glasfaserprojekten für 25% der Bevölkerung darstellbar, so wird er inzwischen auf weniger als 20% abgesunken sein.
Die Aussichten für einen großräumigen Start in Hochleistungsnetze haben sich demnach inzwischen deutlich verschlechtert. Ist in dieser Situation nicht eine Abwartehaltung die beste einzel- und gesamtwirtschaftliche Lösung und Strategie? Der Verfasser ist nicht dieser Ansicht. Gerade in diesen Tagen sind Investitionen in Glasfasernetze nicht nur für den TK Markt ein großer Schritt nach vorne. Auch unter makroökonomischen Gesichtspunkten sind Investitionen in hochleistungsfähige Breitbandnetze ein guter Beitrag gegen die Wirtschaftskrise. Investitionen in Glasfasernetze sind sehr „arbeitsintensiv“ und nachhaltig. Der Staat kann diese Investitionen sinnvollerweise nicht selbst tätigen. Er kann aber mit einem geringen Einsatz von Bürgschafts- und Fördermitteln für private Investitionen ein zigfaches Volumen privater Investitionen anreizen. Der Verfasser schlägt dazu und zur Lösung weiterer Investitionsbremsen das folgende Aktionsprogramm in Ergänzung des Maßnahmekatalogs des IT-Gipfels vor:
1. Nationales Aktionsprogramm für das Breitbandnetz der Zukunft Die Bundesregierung legt ein nationales Aktionsprogramm für das Breitband der Zukunft auf. Das Programm wird geführt vom BMWi. Das Programm bündelt alle bisherigen einschlägigen Maßnahmen und alle neuen Maßnahmen im Bereich der Finanzierung, der Gesetzgebung, der Regulierung und der Öffentlichkeitsarbeit zur Entwicklung des Breitbands der Zukunft. Unter dem Dach dieses Programms werden auch die Aktivitäten des Bundes mit denen der Länder und Kommunen koordiniert. Das Programm setzt auf einem klaren Zielsystem hinsichtlich Flächendeckung und Bandbreite auf.
2. Auflegung eines Förderprogramms für Glasfaserprojekte kleiner und mittlerer Unternehmen. Die aktuelle Finanzmarktkrise hat die Finanzierungskosten gerade von kleinen und mittleren Unternehmen deutlich erhöht. Darüber hinaus hat die Risikobereitschaft der Banken generell abgenommen, risikoreiche Projekte zu finanzieren. Glasfaserprojekte kleiner und mittlerer Unternehmen, die unter „normalen“ Kapitalmarktverhältnissen finanziert worden wären, weil sie rentabel sind, erhalten heute keine Finanzierung mehr oder nur zu (deutlich) höheren Kapitalkosten. Insofern hat die Finanzmarktkrise die Investitionsfähigkeit in Glasfaserprojekte (deutlich) reduziert. Staatliche Bürgschafts- und Finanzierungsprogramme, wie sie etwa die KfW für eine Reihe anderer Bereiche trägt, können auf Glasfaserprojekte kleiner und mittlerer Unternehmen ausgedehnt werden. Konkret könnten etwa Glasfaserprojekte in die Förderkredite der KfW für Infrastrukturvorhaben mit Haftungsfreistellung für die finanzierenden Banken aufgenommen werden. Mit einem geringem öffentlichen Mitteleinsatz für Zinsverbilligung (unterhalb der Beihilfeschwelle) und Bürgschaftsübernahmen ließe sich ein n-faches an Investitionsvolumen anreizen.
3. Einsatz der Einnahmen aus Frequenzvergabeauktionen für öffentliche Zuschüsse zu Glasfaserprojekten, die ohne diese Zuschüsse nicht wirtschaftlich darstellbar wären.
4. Gesetzliche Regelungen für einen effizienten Haus- und Wohnungszugang Sinnvollerweise hat der IT-Gipfel bereits die Erweiterung der Bauvorschriften vorgeschlagen, um bei Hausneubauten Leerrohre oder Verkabelungen vorzusehen. In Korea hat sich darüber hinaus ein Gebäudeklassifikationssystem hinsichtlich der Inhouse-Leitungsinfrastruktur bewährt. Der Haus- und Wohnungszugang für moderne TK-Infrastrukturen stellt darüber hinaus in vielfältiger Weise ein zu lösendes Bottleneck-Problem dar:
- Ungeklärte Eigentumsverhältnisse an bestehender Hausverkabelung erschweren ihre Nutzung für NGA.
- Vermieter können Mieter daran hindern, Zugang zu einer modernen Hausverkabelung und damit zu NGA zu erhalten,
- Eine moderne Glasfaser-Inhouse-Verkabelung lässt sich weder wirtschaftlich noch unter dem Belastungsgesichtspunkt für Hauseigentümer/- bewohner duplizieren. Insofern sind Zugangsregeln für Inhouse-Verkabelungen erforderlich, die wettbewerbsfreundlich auszugestalten sind. Frankreich ist hier mit einem innovativen Regelungsansatz vorangeschritten.
5. Entwicklung eines Open Access- Vergabemodells für ein Infrastrukturbetreibermodell Die Basisinfrastruktur oder das passive Netze eines Glasfasernetzes ist faktisch ökonomisch nicht replizierbar. Um die Reichweite des Glasfaserausbaus zu optimieren, kommt es hierbei primär darauf an, die Kosten des Infrastrukturausbaus zu minimieren. Alle Möglichkeiten vorhandener lokaler Infrastruktur sollten hier genutzt werden. Hierzu bieten sich Public Private Partnership- Modelle an. Für diese sollte das BMWi ein Vergabemodell entwickeln. Zentraler Baustein eines derartigen Modells sollte ein Open Access-Konzept sein, bei dem die passive Glasfaserinfrastruktur wettbewerbsoffen von interessierten Netzbetreibern / Diensteanbietern genutzt werden kann. Das im heutigen Kupfernetz erprobte und bewährte Entbündelungsmodell bietet hierzu auch in einer Glasfaserumgebung das geeignete Zugangsmodell.
6. Entwicklung eines langfristigen Regulierungsrahmens für Glasfasernetze Glasfaserinfrastrukturen sind (lokal) faktisch nicht replizierbar, insbesondere wenn es ein konkurrierendes Kabelnetz gibt. Insofern bleibt ein Regulierungsbedarf zur Realisierung von effektivem Wettbewerb erhalten. Diesen Regulierungsrahmen für Glasfasernetze gilt es zu schaffen. Das Fehlen dieses Rahmens stellt ein regulatorisches Risiko dar. Regulatorische Risiken erhöhen ebenso wie andere nichtsystematische Risiken die Kapitalkosten und beschränken so den profitablen Glasfaser-Roll-out. Die Schaffung eines transparenten Regulierungsrahmens muss insbesondere auch dem Aspekt der Langfristigkeit der anstehenden Glasfaserinvestitionen Rechnung tragen. Weiterhin muss er das Verhältnis von Risiko-Sharing-Ansätzen eines gemeinsamen Infrastrukturausbaus von (potentiellen) Wettbewerbern und Zugang zur Infrastruktur klären.
7. Zugang von Betreibern passiver Glasfaserinfrastruktur zu Wegerechten TK-Netzbetreiber verfügen über für einen effizienten Infrastrukturausbau gebotenen bevorrechtigten Zugang zu Wegerechten. Wird für den Glasfaserausbau ein vertikal disintegriertes Geschäftsmodell gewählt, bei dem ein netzbetreiberunabhängiger Anbieter den passiven Glasfasernetzausbau betreibt, gerät dies zu seinem Nachteil. Das wettbewerbsfreundlichere Infrastrukturausbaumodell würde durch das fehlende Wegerechtsprivileg mit einem Kostennachteil belegt. Dieses Investitionshemmnis sollte gesetzlich beseitigt werden.
Neumann for President

Gruß