von bru62 » 02.03.2011 14:24
Ich habe mir mal die gesamte Vorlage grob rein gezogen und folgende Schwerpunkte in der neuen Regelung gefunden:
§ 2, Ziel der Regulierung:
- Sicherstellung einer flächendeckenden gleichartigen Grundversorgung in städtischen und ländlichen Räumen (bisher: flächendeckende Grundversorgung) mit Telekommunikationsdiensten (Universaldienstleistungen) zu erschwinglichen Preisen
- die Beschleunigung des Ausbaus von hochleistungsfähigen öffentlichen Telekommunikationsnetzen der nächsten Generation (neu)
Neu ist der § 40 gefasst:
§ 40
Funktionelle Trennung
(1) Gelangt die Bundesnetzagentur zu dem Schluss, dass die nach den Abschnitten 2 und 3 auferlegten angemessenen Verpflichtungen nicht zu einem wirksamen Wettbewerb geführt haben und wichtige und andauernde Wettbewerbsprobleme oder Marktversagen auf den Märkten für bestimmte Zugangsprodukte auf Vorleistungsebene bestehen, so kann sie als außerordentliche Maßnahme vertikal integrierten Unternehmen die Verpflichtung auferlegen, ihre Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bereitstellung der betreffenden Zugangsprodukte auf Vorleistungsebene in einem unabhängig arbeitenden Geschäftsbereich unterzubringen. Dieser Geschäftsbereich stellt Zugangsprodukte und -dienste allen Unternehmen, einschließlich der anderen Geschäftsbereiche des eigenen Mutterunternehmens, mit den gleichen Fristen und zu den gleichen Bedingungen, auch im Hinblick auf Preise und Dienstumfang, sowie mittels der gleichen Systeme und Verfahren zur Verfügung.
Neu ist auch der
„§ 77a
Gemeinsame Nutzung von Infrastrukturen durch Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze
(1) Die Bundesnetzagentur kann die gemeinsame Nutzung von Verkabelungen in Gebäuden oder bis zum ersten Konzentrations- oder Verteilerpunkt, sofern dieser außerhalb des Gebäudes liegt, durch Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze ... anordnen.
Die Anordnung kann getroffen werden, wenn eine Vervielfachung der Infrastruktur wirtschaftlich ineffizient oder praktisch unmöglich wäre.
(3) Die Bundesnetzagentur kann von den Telekommunikationsnetzbetreibern und von Unternehmen, die über Einrichtungen verfügen, die zu Telekommunikationszwecken genutzt werden können, diejenigen Informationen verlangen, die für die Erstellung eines detaillierten Verzeichnisses über Art, Verfügbarkeit und geografische Lage dieser Einrichtungen erforderlich sind. Zu den Einrichtungen nach Satz 1 zählen unter anderem Gebäude, Gebäudezugänge, Verkabelungen in Gebäuden, Masten, Antennen, Türme und andere Trägerstrukturen, Leitungsrohre, Leerrohre, Einstiegsschächte und Verteilerkästen. ... Das Verzeichnis kann Interessenten zur Verfügung gestellt werden, falls die von der Bundesnetzagentur festgelegten Bedingungen für eine Einsichtnahme erfüllt sind. Dabei sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren.
Nun zum vielleicht Interessantesten:
Die Paragrafen zum Universaldienst (78 ff) lauten jetzt wie folgt:
§ 78 Universaldienstleistungen
(1) Universaldienstleistungen sind ein Mindestangebot an Diensten für die Öffentlichkeit, für die eine bestimmte Qualität festgelegt ist und zu denen alle
Endnutzer unabhängig von ihrem Wohn- oder Geschäftsort zu einem erschwinglichen Preis Zugang haben müssen und deren Erbringung für die Öffentlichkeit als Grundversorgung
unabdingbar geworden ist.
(2) Als Universaldienstleistungen werden bestimmt:
1. der Anschluss an ein öffentliches Telekommunikationsnetz an einem festen Standort, der Gespräche, Telefaxübertragungen und die Datenkommunikation mit Übertragungsraten
ermöglicht, die für einen funktionalen Internetzugang ausreichen,
2. der Zugang zu öffentlich zugänglichen Telefondiensten über den in Nummer 1 genannten Netzanschluss,
3. die Verfügbarkeit mindestens eines von der Bundesnetzagentur gebilligten gedruckten öffentlichen Teilnehmerverzeichnisses (§ 104), das dem allgemeinen Bedarf entspricht und regelmäßig mindestens einmal jährlich aktualisiert wird,
4. die Verfügbarkeit mindestens eines umfassenden, öffentlichen Telefonauskunftsdienstes, auch für Nutzer öffentlicher Münz- und Kartentelefone, einschließlich der Netzkennzahlen von Teilnehmern und ausländischer Anschlussinhaber, soweit die Teilnehmerdaten zur Verfügung stehen und unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Vorschriften,
5. die flächendeckende Bereitstellung von öffentlichen Münz- oder Kartentelefonen oder anderer Zugangspunkte für den öffentlichen Sprachtelefondienst an allgemeinen und jederzeit für jedermann zugänglichen Standorten entsprechend dem allgemeinen Bedarf; die öffentlichen Telefonstellen sind in betriebsbereitem Zustand zu halten, und
6. die Möglichkeit, von allen öffentlichen Münz- oder Kartentelefonen unentgeltlich und ohne Verwendung eines Zahlungsmittels Notrufe durch einfache Handhabung mit der
Nummer 112 und den nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 108 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 festgelegten nationalen Notrufnummern durchzuführen.
(3) Unternehmen, die Universaldienstleistungen nach Absatz 2 Nr. 2 und 3 erbringen, haben bei der Verarbeitung der ihnen von anderen Unternehmen bereitgestellten Informationen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung zu beachten.
(4) Nach Anhörung des Universaldienstverpflichteten kann die Bundesnetzagentur den allgemeinen Bedarf der Universaldienstleistungen nach Absatz 2 hinsichtlich der
Bedürfnisse der Endnutzer feststellen, insbesondere hinsichtlich der geographischen Versorgung, der Zahl der Telefone, der Zugänglichkeit und der Dienstequalität. Zur
Sicherstellung des Dienstes sowie der Dienstemerkmale ist die Bundesnetzagentur befugt, den Unternehmen Verpflichtungen aufzuerlegen. Die Bundesnetzagentur kann von solchen
Verpflichtungen für Teile oder das gesamte Hoheitsgebiet absehen, wenn eine Anhörung der betroffenen Kreise ergibt, dass diese Dienstemerkmale oder vergleichbare Dienste
als weithin verfügbar erachtet werden.
§ 79 Erschwinglichkeit der Entgelte
(1) Der Preis für die Universaldienstleistung nach § 78 Absatz 2 Nummer 1 und 2 gilt als erschwinglich, wenn er den realen Preis der Telefondienstleistungen nicht übersteigt, die von einem Privathaushalt außerhalb von Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern zum 1. Januar 1998 durchschnittlich nachgefragt wurden. Dabei werden die zu diesem Zeitpunkt erzielten Leistungsqualitäten einschließlich der Lieferfristen und die bis zum 31. Dezember des jeweiligen Vor-Vorjahres festgestellte Produktivitätsfortschrittsrate berücksichtigt.
(2) Universaldienstleistungen nach § 78 Absatz 2 Nummer 3 bis 5“ gelten als erschwinglich, wenn die Entgelte den Maßstäben des § 28 entsprechen.
Im weiteren finden sich jede Menge regulatorische Zielsetzungen und Festlegungen, die Investionen in neue Netze dienlich sein können. Aus meiner Sicht kann man wohl sagen: Ein Schritt in die richtige Richtung, leider ohne die notwendige Konsequenz. Wer legt fest, was für einen "funktionalen Internetzugang ausreichend ist"? Zumindest diese Frage muss in der weiteren parlamentarischen Behandlung beantwortet werden.
Gruß
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bru62
ehemals 2. Vorsitzender des Bundesverbandes Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- e. V.
Diskriminierungsfreies "Breitband für alle" wird es nur geben, wenn Menschen sich dafür engagieren.