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In der Jenaer Kneipenmeile Wagnergasse, keine 500 Meter vom Intershop-Turm entfernt, betreibt Dr. Ingolf Weidlich sein Immobilienbüro. Mitten im Aushängeschild des Ostens aber auf schnelles Internet wartet der Unternehmer vergeblich.
Jena. Meine Geschäftspartner in Hamburg und München können gar nicht verstehen, dass mitten in der Lichtstadt Jena kein vernünftiges DSL erhältlich sein soll, sagt Ingolf Weidlich, der sich mächtig über den neuen Schülerwettbewerb der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen aufregt. Die LEG hatte vergangene Woche die Jugendlichen im Freistaat aufgefordert, doch die Geschwindigkeit ihres heimischen Internetanschlusses zu melden. Nichts als Aktionismus, um abzulenken von den wahren Problemen, sagt Weidlich kopfschüttelnd. Eine Anfrage bei der Telekom reicht aus, um herauszufinden, welche Geschwindigkeit in welcher Region verfügbar ist.
Stattdessen sollte sich die Landesgesellschaft aus seiner Sicht eher darum kümmern, die Unternehmer im Land mit schnellem Internet auszurüsten. Das ist heutzutage die Voraussetzung für gute Geschäfte, sagt der 55-Jährige. Und überhaupt eine Voraussetzung für eine Firma. So verlangt das Finanzamt, die monatlichen Umsatzsteuerdaten auf elektronischem Wege zu senden. Stehe ich am Wochenende früh auf, um die Abrechnung zu machen, kann ich mich getrost nochmal hinlegen, wenn das Update der Übertragungssoftware beginnt.
Nur ein Zehntel der Geschwindigkeit eines DSL 2000-Anschlusses kommt bei Weidlich an. Unmöglich sei es, die Karten fürs Navigationssystem zu aktualisieren. Nach sieben Stunden Laden bricht der Vorgang ab, berichtet der Jenaer Geschäftsmann. Stundenlang dauere es auch, andere Programme auf den aktuellen Stand zu bringen. Das Internet wird zu Produktionsbremse.
Die Telekom hat die geringe Geschwindigkeit mit der hohen Dämpfung in der Leitung begründet. DSL ist in der Kupferleitung maximal über die Länge von 4,5 Kilometern vom letzten Übertragungspunkt zu übermitteln, erläutert Telekom-Sprecher Jürgen Will. Dabei zähle nicht die Luftlinie zur Vermittlungszentrale, die sich in Jena-Nord befindet, sondern die Kabelkilometer. Dass die benachbarte Uni und große Firmen eine schnelle Anbindung besitzen, liege an deren separatem Zugang über Glasfaserkabel. Das ist aber auch mit höheren Kosten verbunden.
Das Internet läuft bei Weidlich zwar langsam, aber zumindest recht stabil. Das war nicht immer so. Er hatte bereits vor acht Jahren einen DSL-Anschluss geordert und bekommen, der aber langsam war. Im vergangenen Jahr wechselte er von Versatel zu Vodafone. Ein paar Wochen funktionierte der DSL-Zugriff. Von einem Tag auf den anderen konnte sich der Rechner nicht mehr einwählen, berichtet Weidlich. Der Fehler liege bei ihm, hieß es bei der Servicestelle. Weidlich schraubte an seinen Rechnern, tauschte Teile und testete andere Einstellungen. Doch mit dem gleichen Ergebnis: Eine Einwahl war nicht möglich. Nach Tagen teilte mir Vodafone mit, dass sie mich nicht mehr versorgen können.
Weidlich probierte es mit mobilem Internet, spannte ein Kabel über den Hof zur Antenne. Doch das Netz in Jena war überlastet, der Zugriff funktionierte nur sehr langsam. Der Jenaer erwirkte ein Sonderkündigungsrecht, wechselte zur Telekom, die ihm DSL wieder freischaltete jedoch nicht in der erhofften Geschwindigkeit. Der einstige Monopolist habe das Tempo reduziert, um einen stabilen Anschluss sicherzustellen. Der Service stimmt zumindest, lobt Weidlich.
Als nächstes hofft der Unternehmer darauf, dass den Worten der Politiker Taten folgen. Es reiche nicht aus, Breitbandprogramme anzukündigen. Weidlich fordert: Schnellstmöglich muss DSL anliegen. Und zwar überall im Land. So auch in der Wagnergasse mitten in der Lichtstadt Jena.
Tino Zippel / 17.02.11 / OTZ