MdB Grietje Staffelt (B90/Die Grünen) (2)

Schreiben an die Verantwortlichen

MdB Grietje Staffelt (B90/Die Grünen) (2)

Beitragvon bru62 » 29.06.2009 17:40

Ebenfalls als Reaktion auf Ihre Rede in der 227. Sitzung des Deutschen Bundestages habe ich folgende Mail an Frau Staffelt geschrieben:

Sehr geehrte Frau Staffelt,

mit Interesse haben wir Ihre protokollierte Rede zum Antrag „Digitale Kluft schließen …“ zur Kenntnis genommen. Wir schätzen Sie als profunde Kennerin der Materie und legen auf Ihre Meinungsäußerung viel Wert. Im vergangenen Jahr haben wir bereits bei einem Besuch Ihrer Mitarbeiterin Kontakte hergestellt, die wir gern weiter ausbauen möchten. Ich komme gleich noch einmal darauf zurück.

Lassen Sie mich zunächst einige Anmerkungen zu Ihren Ausführungen machen. Richtig schätzen Sie die Problemlage ein, wenn Sie eine fortbestehende digitale Spaltung Deutschlands konstatieren und in der Breitbandstrategie der Bundesregierung bisher nicht die Initialzündung zu einer Lösung des Dilemmas erkennen. In der Tat ist ein Scheidern dieser Strategie vorhersehbar. Dies haben wir bereits frühzeitig in einer Stellungnahme, die ich Ihnen anbei übersende, kritisch angemerkt. Für uns fehlt schlicht die erforderliche Konsequenz. Dies äußert sich darin, dass auf verbindliche Maßnahmen des Staates verzichtet wird. Wie Sie richtig bemerken, wird die flächendeckende Versorgung mit Breitbandinternet nicht allein mit Fördermitteln und Strategiepapieren realisiert werden. Nach vielen Jahren, in denen vergeblich auf die Kräfte des Wettbewerbs vertraut wurde, ist vielmehr die von Ihnen so genannte Ultima Ratio erforderlich, ja längst überfällig. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie vor Jahresfrist bereits die Einführung des Universaldienstes forderten, sollte bis Ende 2009 keine spürbare Besserung eintreten. Gerade dies ist heute absehbar. Daher würden wir uns freuen, wenn Sie mit uns übereinstimmend die alsbaldige Aufnahme von Breitband-Internetanschlüssen in den Katalog der Tk-Universaldienste vorantreiben würden.

Dabei geht es überhaupt nicht um Technologien. Es geht darum, ein Mindestmaß an Versorgung sicherzustellen, um den betroffenen Menschen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und den Unternehmen Nachteile im Wettbewerb zu ersparen. Nach unserer Auffassung sollte die definierte Mindestbandbreite beim in der Breitbandstrategie als Ziel markierten Wert von einem Megabit pro Sekunde liegen. Darüber hinaus legen wir Wert auf die Verhinderung von Begrenzungen in Nutzungszeit oder -volumen. Zumindest müssen die heute üblichen Volumengrenzen bei Mobilfunk- und Satellitenangeboten stark angehoben werden.

Der Universaldienst hätte unmittelbar zur Folge, dass der Bundesnetzagentur die Aufgabe zukäme, unterversorgte Gebiete zu ermitteln und den Ausbau auszuschreiben. Damit würde die Kompetenz dorthin verlagert, wo sie hingehört. Damit würde der heute zu beobachtende unsägliche Zustand, dass Bürgermeister mit dem Problem überfordert sind, die Kommunen ihre Selbstbeteiligung nicht aufbringen können oder schlicht überhaupt keinen Handlungsbedarf sehen, wenn Betroffene nicht beharrlich ihr Recht einfordern, beendet. Millionen Menschen könnten wieder Hoffnung schöpfen.

Ein zweiter wichtiger Aspekt ist die Frage, wie die zukünftig erforderlichen Hochleistungsnetze entstehen sollen. Vielleicht etwas anders als Sie, dafür übereinstimmend mit zahlreichen Wissenschaftlern und Experten, stehen wir für einen konsequenten Ausbau von Glasfasernetzen. Es gibt heute keine Technologie, die auch nur annähernd vergleichbare Zunkunftssicherheit besitzt. Am ehesten wird das noch neuesten Mobilfunkstandards zugeschrieben. Doch belegen Studien auch, dass diese stets der Entwicklung kabelgebundener Technologien nachfolgen. Sie dienen (auch nach Meinung der Unternehmen) zur Ergänzung des Festnetzes, zur Gewährleistung des mobilen Internets und nicht als flächendeckender Festnetzersatz. Das Sie offenbar dem Hype um die Frequenzen der digitalen Dividende nicht in dem Maße folgen, wie es einige Ihrer Parlamentskolleginnen und -Kollegen tun, haben wir mit Genugtuung zur Kenntnis genommen.

Die Installation der Glasfasernetze stellt die Gesellschaft in der Tat vor eine grandiose Herausforderung. Es muss bezweifelt werden, ob Unternehmen vor dem Hintergrund ihres Strebens nach einem eher kurzfristigen RoI zu Investitionen in der erforderlichen Höhe bereit sind. Daran ändern auch Kooperationen nichts, die im Übrigen auch nur in Ballungsgebieten eingegangen werden. Wir haben große Sorge, dass Deutschland auf diesem Gebiet international ins Hintertreffen geraten wird. Nicht zuletzt wird die digitale Spaltung ein bisher nicht gekanntes Maß annehmen, wenn schon bald in Ballungsgebieten Bandbreiten angeboten werden, die das im ländlichen Raum Übliche um das mehr als hundertfache übersteigen.

Aus den genannten Gründen halten wir staatliche Intervention durchaus für dringend erforderlich. Nur eine in öffentlicher Hand errichtete und betriebene oder zumindest öffentlich kontrollierte Infrastruktur scheint die Gewähr für flächendeckende Versorgung zu bieten. Eine ausschließlich auf schnellen Gewinn orientierte Strategie wird keine Erfolge zeitigen, wie wir heute sehen. Dabei stellt Wirtschaftlichkeit und Flächendeckung absolut keinen Widerspruch dar. Wir begrüßen ausdrücklich Ihren Ansatz, kommunale Unternehmen oder Landkreisgesellschaften könnten den Ausbau und Betrieb der Netze realisieren und diese dann diskriminierungsfrei an Provider vermieten. Diese öffentlichen Unternehmen sind ja gerade nicht an schnelle Abschreibungszeiträume gebunden. Damit wird eine Investition, die Privatunternehmen überfordert, wieder möglich.

Sehr geehrte Frau Staffelt,

ich denke, es gibt über das Thema noch sehr viel zu diskutieren. Deshalb möchte ich Ihnen abschließend nochmals anbieten, mit uns ins Gespräch zu kommen. Lassen Sie uns gemeinsam an der Lösung eines der großen Zukunftsthemen unseres Landes arbeiten. In dem Sinne würde ich mich freuen, wenn Sie uns einen Terminvorschlag unterbreiten würden und verbleibe bis dahin

mit freundlichen Grüßen
i.A. Bernd Rudolph
Initiative gegen digitale Spaltung
-geteilt.de-

P.S.
Ich möchte Sie noch darauf hinweisen, dass wir Schreiben unserer Initiative gewöhnlich in unserem Forum veröffentlichen, in das ich Sie übrigens herzlich einlade. Ihr Einverständnis voraussetzend werden wir dies auch mit Ihrer Antwort so halten. Sollten Sie etwas dagegen haben, teilen Sie es uns bitte mit. Wir respektieren Ihren Wunsch selbstverständlich.


Gruß
______________
bru62
ehemals 2. Vorsitzender des Bundesverbandes Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- e. V.

Diskriminierungsfreies "Breitband für alle" wird es nur geben, wenn Menschen sich dafür engagieren.
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