Deutschland braucht den Universaldienst
Sehr geehrte …,
die Beratungen zum Telekommunikationsgesetz gehen nach der öffentlichen Anhörung in eine entscheidende Phase. Wir haben uns in der Anhörung und durch unsere Stellungnahme bereits eingebracht. Noch besteht die Chance, in dieser Gesetzes-Novelle eine Grundversorgung mit Breitbandinternetanschlüssen gesetzlich abzusichern. Dadurch würde sichergestellt, dass jedem, egal wo er wohnt oder arbeitet, gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht wird. Aus unserer Sicht ist dies die entscheidende Aufgabe des neuen Telekommunikationsgesetzes. Verbraucherschutz und Netzneutralität sind wichtig. Aber ohne einen Universaldienst sind es Probleme, die die Betroffenen der digitalen Spaltung teilweise nicht berühren. Das maßgebliche Fundament ist eben der angemessene Zugang zum Internet. Ein Zugang, über den nach wie vor Hunderttausende nicht verfügen können. Noch nicht einmal deren genaue Zahl ist bekannt. Dieser Zustand ist für ein Hoch-Technologie-Land völlig inakzeptabel.
Deshalb ist es uns wichtig, noch einmal ausdrücklich für die Festschreibung eines Breitband-Universaldienstes zu werben. Nachfolgend möchte ich Ihnen unsere Vorschläge nochmals erläutern:
1. Der Universaldienst muss ohne Verzug Gesetzeskraft erlangen.
Der Wettbewerb hat es mehr als ein Jahrzehnt lang nicht vermocht, eine flächendeckende Versorgung zu erreichen. Im Gegenteil, er funktioniert seit einigen Jahren überhaupt nicht mehr. In der Fläche werden Unternehmen nur noch tätig, wenn durch kräftige Subventionen Wirtschaftlichkeitslücken geschlossen werden. Viele Kommunen nutzen allerdings die Fördermöglichkeiten nicht. Entweder, weil vor Ort das notwendige Problembewusstsein fehlt oder weil der Haushalt schlicht den erforderlichen Eigenanteil nicht zulässt. Oft wird auch darauf vertraut, dass der angekündigte Ausbau mit Mobilfunktechnologien (LTE) alle Probleme lösen wird.
Aus unserer Sicht deutet jedoch nichts darauf hin, dass dies kurz- bis mittelfristig der Fall sein könnte. Gerade deren physikalischen Eigenschaften sind es, die eine wirklich flächendeckende Versorgung als aussichtlos darstellen. Die Schaffung eines so engmaschigen Mobilfunknetzes, dass wirklich jeder Nutzer mit einer Innen-Antenne erreichbar ist, steht nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Die Funkzellen (gerade bei Nutzung der Frequenzen der digitalen Dividende) werden Radien von zehn Kilometern besitzen und die Sektoren eine Größe haben, dass tausende zu versorgende Haushalte darin liegen werden. Es ist völlig klar, dass zahlreiche Gebäude in Funkschatten liegen werden und das noch mehr Haushalte nur mit Nutzung einer Außenantenne ein ausreichendes Signal empfangen können. Dies sorgt nicht nur für hohe Kosten. Es wird aufgrund von Mietvertragsbeschränkungen auch nur selten möglich sein. Das Gleiche gilt im Übrigen noch mehr für Satellitenempfangsanlagen.
Das von den Wirtschaftsverbänden mantrahaft vorgetragene Argument, der Universaldienst führe zu einer Einstellung aller Investitionen, ist nicht nachvollziehbar. Der „LTE-Ausbau“ erfolgt bereits nach (von uns als unzureichend kritisierten, aber doch existenten) Verpflichtungen. In anderen Technologien wird nur investiert, wenn die öffentliche Hand den Gewinn garantiert. Welche Investitionen meint man also? Im Gegenteil könnte der engagiert durchgesetzte Universaldienst neuen Schwung in den Wettbewerb bringen. Auch KMU könnten sich um die regionale Versorgung bewerben. Das Umlageverfahren würde eine Überlastung dieser Unternehmen verhindern. Die öffentlichen Haushalte würden dagegen entlastet.
Wir halten es auch nicht für erforderlich, zunächst über einen längeren Zeitraum Daten zu erfassen, um die erforderlichen Universaldienstparameter zu ermitteln. Entsprechende Erhebungen liegen in Form des Jahresberichts der BNetzA bzw. der diesen Berichten zugrunde liegenden Daten bereits vor. Es geht nicht um eine auf den einzelnen Anschluss festzulegende Größe, sondern um die statistisch zu ermittelnde Größe dessen, was von der Mehrheit genutzt wird. Für die weitere Vorgehensweise haben wir in der Stellungnahme Vorschläge unterbreitet.
Die Betroffenen der digitalen Spaltung warten schon zu lange auf eine Besserung ihrer Lage, als das die Lösung ihres Problems weiter verschoben werden darf. Deshalb muss der Universaldienst schnellstmöglich umgesetzt werden!
2. Der Universaldienst muss den heutigen und mittelfristig zu erwartenden Ansprüchen gerecht werden.
Die Definition eines Internetzuganges allein nach der erreichbaren Downloadbandbreite ist inzwischen völlig unzureichend. Die heutigen und erst recht die schon bald üblichen Anwendungen stellen weitere Ansprüche. So ist es für Anwendungen, wie Online-Handel oder Internettelefonie (VoIP), unumgänglich, eine möglichst niedrige Latenz (Antwortzeitverhalten) zu haben. Zudem muss der Zugang zum Internet möglichst dauerhaft möglich sein. Für Telearbeiter, für Nutzer von Telemedizin, für Menschen, die aus dem Netz Informationen beziehen, ist es inakzeptabel, wenn der Zugang über längere Zeitintervalle nicht nutzbar ist. Deshalb regen wir an, funktionale Internetzugänge nach den Parametern:
• Bandbreite (möglichst symmetrisch)
• Latenz und
• Verfügbarkeit
zu definieren. Aus den in festgelegten Intervallen ermittelten gewichteten Mittelwerten aller geschalteten Breitbandanschlüsse soll der Umfang des Universaldienstes bestimmt werden. Das sorgt dafür, dass sowohl die erforderliche Technologieneutralität, als auch die EU-konforme Begrenzung auf von der Mehrheit der Nutzer in Anspruch genommene Leistung berücksichtigt wird. Zudem wird eine automatische regelmäßige Anpassung möglich, ohne dass es einer langwierigen parlamentarischen Behandlung bedarf.
Für in der Diskussion völlig unzureichend berücksichtigt halten wir die Behandlung von Einschränkungen des Internetzuganges. Aus unserer Sicht dürfen Internetzugänge weder in Zeit noch in Volumen begrenzt werden. Willkürlich festgelegte Drosselstufen, die den Zugang entwerten, sind nicht akzeptabel.
Der Mitschnitt der öffentlichen Anhörung zum Telekommunikationsgesetz hat einen Umfang von ca. zwei Gigabyte. Allein mit diesem Download wären zwei Drittel eines monatlichen Telekom-LTE-Volumens bzw. knapp die Hälfte des monatlichen Vodafone-LTE-Volumens verbraucht. Immer mehr Informationen werden heute aber audiovisuell aufbereitet über das Internet angeboten. Sämtliche Internetpräsenzen der Print- und TV-Medien bieten Videos an, immer häufiger auch in HD-Qualität. Es folgt schon der Bestimmung des Artikels 5 GG, wonach jeder sich unbegrenzt aus allen allgemein zugänglichen Quellen informieren kann, derartige Einschränkungen nicht hinzunehmen. Ein weiteres Argument sind Softwareupdates, wie z.B. Karten für Navigationsgeräte, die nur noch online bereit gestellt werden. Wir fordern daher, heute übliche Volumengrenzen in der Definition eines funktionalen Internetzuganges auszuschließen.
Fazit
Mit unserer Stellungnahme haben wir Wege aufgezeigt, eine wirklich flächendeckende und nachhaltige Grundversorgung mit Breitbandinternetanschlüssen als Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe der Menschen und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erreichen. Mit der Neufassung des Telekommunikationsgesetzes besteht die reale Chance, diese Grundversorgung tatsächlich durchzusetzen. In der jüngsten Zeit war eine Bereitschaft zur Festschreibung des Universaldienstes quer durch die politischen Lager erkennbar. Wir setzen also alle Hoffnung darauf, dass sich die Befürworter über Fraktionsgrenzen hinaus verständigen werden. Lassen Sie die Gelegenheit nicht aus Parteien-Proporz heraus verstreichen. Die Betroffenen der digitalen Spaltung bauen auf Sie. Gern stehen wir Ihnen auch partnerschaftlich zur Verfügung, wenn Sie es wünschen. Deutschland braucht den Universaldienst.
mit freundlichen Grüßen
Gruß