Wirtschaftsminister Jürgen Reinholz (CDU) Thüringen (1)

Schreiben an die Verantwortlichen

Beitragvon dachscher » 06.01.2008 17:41

Nachfolgendes Schreiben ging heute per Mail raus.

Sehr geehrter Herr Lange,

zunächst möchte ich Ihnen für Ihr Antwortschreiben vom 20.12.2007 danken.

Allerdings kann ich mich mit den darin enthaltenen Aussagen nicht zufrieden geben. Als erstes möchte ich richtig stellen, das die Initiative gegen digitale Spaltung geteilt.de zu keiner Zeit eine flächendeckende Breitbandversorgung mit sehr hohen Leistungsmerkmalen und höchsten Übertragungsraten ( 16 Mbit/s und mehr ) gefordert hat und auch nie fordern wird. Dies ist auch in unseren Augen sehr unrealistisch. Unser Ziel ist es, dass Breitband zu den Universaldienstleistungen zählen muss. Dabei müsste seitens des Gesetzgebers eine definierte Mindestuntergrenze, die auch unter 1 Mbit/s liegen könnte, festgelegt werden. In diesem Zusammenhang hatten wir ja auf das Schweizer Modell verwiesen.

Sofern Sie auf unsere Initiative DSL für Dachwig und unsere Forderung nach 16 Mbit/s anspielen, so hat diese „Forderung“ einen anderen Hintergrund. DSL für Dachwig ist nicht mit dem Ziel gestartet, DSL bis 16 Mbit/s nach Dachwig zu holen. Wir haben lediglich gesagt, wenn die Telekom ohnehin ein neues Hauptkabel verlegt, welches vermutlich alles in allem einen sechsstelligen Betrag im unteren Drittel ausgemacht hat, dass man prüfen sollte, ob es nicht sinnvoller wäre, gleich Glasfaser zu legen, um auch für die Zukunft gerüstet zu sein. Die Mehrkosten, die ggf. dadurch angefallen wären, hätte man durch die 161 Interessenten ( meine Schätzung liegt bei ca. 200 Interessenten ) ausgleichen können. Aber darauf hat man sich nicht eingelassen.

Der Breitbandatlas definiert beispielsweise Breitband so:

Breitband

Technik zur Übertragung von großen Informationsmengen pro Zeiteinheit. Im Breitbandatlas werden unter Breitband solche Techniken subsumiert, die einen Download mit mehr als 128 Kilobit pro Sekunde und eine Einwahl ins Internet mit mindestens 128 Kilobit pro Sekunde ermöglichen. Zusätzlich sollten die Techniken eine 24-Stunden-Nutzung zulassen.

Wichtig dabei ist natürlich, dass diese Mindestbandbreite von Zeit zu Zeit angepasst wird. Auch das Internet entwickelt sich weiter und wird immer größere Bandbreiten erfordern.

Auch halten wir den Ansatz der Bundesregierung, Breitbandlücken durch Fördermittel zu schließen, für den falschen Ansatz und werden diesen Weg nicht unterstützen. Ein überaus gesunder Markt benötigt keine finanzielle Unterstützung. Die Unternehmen erzielen in für sie wirtschaftlichen Gebieten Gewinne, sollen aber in „unwirtschaftlichen“ Gebieten aus Steuermitteln subventioniert werden.
So werden nach Angaben des VATM die Telekommunikations-Unternehmen im Jahr 2007 Umsätze in Höhe von 63,4 Milliarden Euro erwirtschaften. Davon sollen 37 Milliarden Euro auf den Festnetzbereich, zu dem auch die Breitbandanschlüsse zählen, entfallen. Der wichtigste Wachstumstreiber für diese Unternehmen sind neben dem Mobilfunk Dienstleistungen rund um das Breitband-Internet.

Bemerkenswert finde ich es, wenn Sie sich Gedanken über höhere Preise, sofern Breitband zu den Universaldienstleistungen zählt und der erforderliche Ausbau durch Umlagen finanziert wird, machen. Bei anderen Themen kann ich dieses Verständnis für die Bürger nicht entdecken. Auch kann Ihr Argument zum Preis/Leistungsverhältnis in Hinblick auf das Schweizer Modell nicht greifen. Was sagen hierzu die T-Online eco flat Kunden zum Preis/Leistungsverhältnis von 79,99 € bei 64/64 kbit/s? Derselbe Kunde, der das Glück hat, in einem versorgten Gebiet zu wohnen, bekommt für die Hälfte des Preises die 100fache Leistung vom selben Anbieter. Ist dies in Ihren Augen gerecht?

Zum Thema alternative Technologien und Breitband kann man nur sagen, das wir, die Initiative gegen digitale Spaltung, auch Breitband meinen. Uns sind wohl alternative Techniken bekannt. Aber auch Anbieter alternativer Techniken wollen oftmals nur in für sie wirtschaftlichen Gebieten ausbauen. Im Rahmen unserer Dachwiger Initiative habe ich zum Beispiel alle großen Mobilfunkbetreiber angeschrieben. Von allen Anbietern kam die einhellige Antwort, dass ein Ausbau mit UMTS (HSDPA) in absehbarer Zukunft nicht geplant sei. Wimax, das seitens der Politik als Wundermittel gerade für den ländlichen Bereich gefeiert wurde, wird in Dachwig auch keine Rolle spielen. Auch hier investieren die Betreiber nur, wenn es für sie wirtschaftlich ist. 1000 Interessenten zu fordern für einen Ort mit 1639 Einwohnern, ist mehr als unrealistisch.

Auch das von Ihnen angesprochene Sat-DSL ist uns natürlich bekannt und hat mit Sicherheit seine Daseins-Berechtigung. Jedoch kann es nicht als das probate Mittel für eine flächendeckende Breitbandversorgung herhalten. Geht man in Deutschland von ca. 6 Millionen Betroffenen aus und weiß man, wie viele Transponder seitens der Betreiber mit welcher Bandbreite zur Verfügung stehen, dann bräuchte man an dieser Stelle schon nicht mehr über Breitband reden. Aber es sind auch ganz einfache Gründe, die gegen Ihre These sprechen. Welcher Mieter darf in Deutschland ohne weiteres eine für das Sat-DSL erforderliche Satelliten-Schüssel installieren? Und die Preise für 1024/128 Kbit/s liegen ungefähr (49,99 € inkl. Hardware) bei den als nicht so attraktiv propagierten Schweizer Preisen.

Das meine Gemeinde Dachwig kein Einzelfall in Thüringen ist, zeigen nachfolgende Zahlen:

Betroffene nach DSL-Verfügbarkeit
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Bundesland             Betroffene Haushalte  Betroffene Einwohner  Betroffene in %
Thüringen                    155.689                326.947            13,6



Betroffene nach WiMAX/UMTS-Verfügbarkeit
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Bundesland             Betroffene Haushalte  Betroffene Einwohner  Betroffene in %
Thüringen                    468.014                982.829            41,0



Betroffene nach Fernsehkabel/PLC-Verfügbarkeit
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Bundesland             Betroffene Haushalte  Betroffene Einwohner  Betroffene in %
Thüringen                    975.335              2.048.204            85,4



Anzahl betroffener Gemeinden mit einer DSL Verfügbarkeit von 0 - 2 % je Bundesland:
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Bundesland               Gemeinden ohne DSL-Verfügbarkeit
Thüringen                             90





Hier muss seitens der Landesregierung etwas passieren.

Bedenklich ist auch die ganze Diskussion um die Zuständigkeit. Auch in Ihrem Schreiben wollen Sie die Verantwortung bis runter auf die Kommune vor Ort abwälzen. Im Grundgesetz, Artikel 87 f, ist doch eindeutig die Zuständigkeit durch den Bund geregelt.

(1) Nach Maßgabe eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.
(2) 1Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 1 werden als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private Anbieter erbracht. 2Hoheitsaufgaben im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation werden in bundeseigener Verwaltung ausgeführt.
(3) Unbeschadet des Absatzes 2 Satz 2 führt der Bund in der Rechtsform einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts einzelne Aufgaben in bezug auf die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen nach Maßgabe eines Bundesgesetzes aus.


Sicherlich kann Thüringen keine Entscheidung über die Aufnahme von Breitband als Universaldienstleistung treffen. Jedoch sollte man hier Einfluss auf den Bund nehmen.

Ich habe wieder vorgesehen, Ihr Antwortschreiben auf den Seiten von geteilt.de zu veröffentlichen. Sofern Sie hiermit nicht einverstanden sind, bitte ich um einen kurzen Hinweis.

Mit freundlichen Grüßen

Rene Regel
Nonnengasse 2
99100 Dachwig

Initiative DSL für Dachwig
http://www.dsl-fuer-dachwig.de

Mitglied der Initiative gegen digitale Spaltung
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Breitbandinitiative DSL für Dachwig - Wir haben es geschafft !
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Kommunale Selbstverwaltung -

Beitragvon just4fun » 30.01.2008 08:43

@ von governet am 05.01.2008 21:37
Was mich bei der ganzen Problematik stört, ist das ganze hin und her geschiebe, wer für diese Problematik zuständig ist, dabei steht eindeutig im Grundgesetz Artikel 87 f, dass der Bund zuständig ist. Man versucht es aber bis hin zur Gemeindebasis abzuwälzen


Das stimmt leider so nicht. Hier liegt ein weitverbreiteter Irrglauben vor. Recht zur Selbstverwaltung bedeutet auch Pflicht zur Selbstverwaltung. Das ist die Rückseite der selben Medaille.
Für die kommunale Infrastruktur ist allein die Gemeinde zuständig, und zwar im Rahmen der "Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben im eigenen Wirkungskreis"

Aus dem Stadtportal der Stadt Rhede:

Die Kommunale Selbstverwaltung ist Ausdruck der Bürgerfreiheit ...

Das Grundgesetz greift diese Tradition auf. Ausdrücklich garantiert es die kommunale Selbstverwaltung in den Städten, Gemeinden und Kreisen. ...

Das Selbstverwaltungsrecht umfasst vor allem den öffentlichen Nahverkehr im kommunalen Bereich, die örtliche Infrastruktur wie z.B. den örtlichen Straßenbau, die Versorgung mit Strom, Wasser und Gas, die Abwasserentsorgung und die städtebauliche Planung. Hinzu kommen der Bau und die Unterhaltung von Schulen, Theatern und Museen, Krankenhäusern, Sportstätten und Bädern. Die Gemeinden sind auch für die Erwachsenenbildung und die Jugendpflege zuständig. Diese Aufgaben nehmen die Städte und Gemeinden weitgehend eigenständig und eigenverantwortlich wahr.


Siehe auch Aufgabenarten und Entscheidungsspielräume:
http://www.kas.de/kommunal/e-learning/download.php?file=/var/www/www3.kas.de/htdocs/db_files/e-learning/8_grafik_datei_pdf_17.pdf&name=kas-1-11.pdf

Wenn sich also eine Gemeinde gegen den Ausbau der Telekommunikations-Infrastruktur entscheidet, weil sie das (nicht) vorhandenen Geld anderweitig besser/wichtiger angelegt sieht, dann kann man auch Land/Bund nicht dafür schelten, wenn die nicht in die offenen Lücke springen und Fördermittel dafür locker machen. Auch dort gibt es vielleicht für andere Themen eine stärkere Lobby :( unter den Abgeordneten (Haushaltsgesetzgeber!).

Letzten Endes sind es aber - egal auf welcher Ebene - IMMER die gewählten "Volksvertreter", die die Vorgaben über die Verwendung der Steuermittel machen und deren Umfang festlegen. Der Finanzminister/Kämmerer macht dann "nur" noch den "Feinschliff". Denn wo der Haushaltsgesetzgeber kein Geld vorgesehen hat, kann der Finanzminister/Kämmerer auch keins zum Ausgeben bereitstellen.
Suche DIE Killerapplikation, die nur mit Breitband > 1MBit/s funktioniert und nicht Kabelfernsehen ersetzt.
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