http://www.dsl-fuer-seifersdorf.de/Antr_Breitband_StellgSR_4_Drs_8247_202_1_1_.pdf
Ich habe daraufhin diesen Brief an Herrn Staatsminister Jurk gesandt:
Sächsisches Staatsministerium
für Wirtschaft und Arbeit
Herrn Staatsminister Thomas Jurk
Postfach 10 03 29
01073 Dresden
28.12.2007
Breitband-Internet-Versorgung im Freistaat Sachsen
Stellungnahme der Staatsregierung auf einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Drs.-Nr.: 04/8247)
Sehr geehrter Herr Staatsminister Jurk,
„endlos telefonieren und surfen, mit DSL!“, dass wünscht sich ein Junge in der neuen Radiowerbung der Deutschen Telekom vom Weihnachtsmann. Den gleichen Wunsch haben nun schon seit Jahren die Bürgerinnen und Bürger der Jahnsdorfer Ortsteile Leukersdorf und Seifersdorf.
Mittlerweile vergleichen viele den Glauben an die Erfüllung ihres Wunsches mit dem an den genannten Gabenbringer. Liegt doch die Einführung der DSL-Technologie inzwischen fast zehn Jahre zurück. In dieser Zeit konnten wir erleben, wie verfügbare Bandbreiten in die Höhe stiegen und die Preise dafür in die Tiefe fielen. Für Schmalbandkunden war es anders herum. Die Bandbreite blieb und der Preis stieg stark an. Gerade in der letzten Woche
war in einem Online-Magazin zu lesen, dass ein Anbieter seine Einwahl-Tarife so umgestellt hat, dass quasi über Nacht 60 Euro für eine Stunde Onlinezeit berechnet wurden. Kunden, die dies nicht sofort bemerkten, z.B. weil sie sich über so genannte Least-Cost-Router-
Programme einwählen, dürften ein böses Erwachen haben.
Doch nicht nur die finanzielle Mehrbelastung (bei zugleich drastisch weniger Leistung) macht den Menschen zu schaffen. Es ist in viel stärkerem Maße die Abkopplung von den Informations- und Kommunikationsdiensten, die das Internet bereitstellt. Dem Deutschen Landfrauenverband ist nichts hinzuzufügen, wenn er in einer Stellungnahme schreibt: „Gerade im ländlichen Raum setzen wir große Hoffnung auf die Neuen Medien. Sie können bis zu einem gewissem
Grad den strukturell und demografisch bedingten Rückzug von Dienstleistern sowie den damit verbundenen Rückbau von Infrastruktur im ländlichen Raum kompensieren und einen Ausgleich der Lebensbedingungen schaffen. Beispiele sind die Inanspruchnahme von
Online-Diensten für die Bestellung von Waren und Dienstleistungen, E-Government sowie Informations- und Bildungsportale. Anders als in städtischen Regionen ersetzen die Dienste aus dem Internet hier zunehmend traditionell angebotene Schalterdienste mit Face-to-Face
Beratung. ELearning-Angebote treten an Stelle von traditionellen Weiterbildungen in Klassenverbänden.
Schulkinder können ohne das Internet ihre Hausaufgaben nicht erledigen. Die Menschen sind gezwungen, diese über die neuen Medien angebotenen Dienste zu nutzen, weil sie sonst erhebliche Nachteile (Wege, Kosten, Informationsdefizite) in Kauf nehmen müssen.“
Doch auch unsere Gewerbetreibenden und Dienstleister klagen über die mangelnde Versorgung. Händler möchten ihre Waren gern im Internet anbieten. Die Kommunikation findet zunehmend auf elektronischem Wege statt, was eine permanente Online-Verbindung erfordert.
Vermieter berichten, dass potenzielle, vor allem junge Mieter, auf deren Ansiedlung die Gemeinde Wert legen würde, zuerst fragen, ob denn hier DSL verfügbar wäre. Nach der negativen Antwort suchen sie sich andere, besser erschlossene Wohnorte. Die eingeschränkte oder gar nicht bestehende Verfügbarkeit der breitbandigen Internetanbindung wirkt sich direkt in wirtschaftlichen Nachteilen aus.
Um gemeinsam einen Ausweg aus der beschriebenen Miesere zu finden, haben wir vor zwei Jahren eine Bürgerinitiative gegründet und versuchen seit dem in ständigem Kontakt mit der Deutschen Telekom AG und anderen Anbietern eine Lösung zu finden. Auch die ahlkreisabgeordneten
des Deutschen Bundestages sowie des Sächsischen Landtages wurden informiert und um Unterstützung gebeten. Nicht zuletzt wird die Bürgerinitiative durch die Gemeindeverwaltung und die Kirchgemeinde unterstützt. Sie vereint inzwischen mehr als 100 Interessenten.
Ein konkretes Ergebnis konnte für die betroffenen Ortsteile bisher jedoch nicht erreicht werden.
Zwar kündigt die Deutsche Telekom AG seit Monaten einen Ausbau ihrer Infrastruktur an, verschiebt diesen jedoch regelmäßig nach hinten. Gleichzeitig müssen wir beobachten, dass der Konzern überall dort den Ausbau vorantreibt, wo eine Konkurrenz entsteht. Dieser Wettbewerb aber findet bei uns nicht statt. Unternehmen, die Breitband-Internet über Funk
oder Kabel anbieten, haben nach einer Sondierung vor Ort von weiteren Initiativen Abstand genommen. Ein Engagement wäre für sie nicht wirtschaftlich. In den letzten Monaten mussten wir erkennen, dass die Bevölkerungsdichte, die demografische Struktur und die daraus
resultierende Nachfrage offenbar nicht ausreichen, um Investitionen in die Infrastruktur profitabel umzusetzen. Viel lieber investiert man dort, wo eh schon eine gute Versorgung besteht.
Die Menschen in unseren Ortsteilen sind Opfer dieses typischen Falls von Marktversagen. Für uns sind Nachrichten über den zum Teil gleichzeitigen Ausbau des Glasfasernetzes durch mehrere Anbieter in Großstädten und den damit einher gehenden Aufbau von Überkapazitäten der blanke Hohn. Wir erleben, wie die real bestehende digitale Spaltung nicht kleiner, sondern größer wird.
Wir hatten angenommen, dass all dies der Staatsregierung bekannt wäre und dass sie ihrer Verpflichtung auf das Gemeinwohl entsprechend handeln würde. Doch das scheint nicht der Fall zu sein. Der durch Sie unterschriebenen Stellungnahme der Staatsregierung auf den Antrag
der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen ist deutlich eine andere Auffassung zu entnehmen:
„Anders als ordnungspolitisch unbedenkliche Maßnahmen zur Förderung der Breitbandnutzung, lehnt die Staatsregierung eine finanzielle Förderung von Telekommunikationsinfrastruktur grundsätzlich ab.“ Wenn die Infrastruktur aber durch Privatunternehmen nicht ausgebaut wird, weil es für sie nicht profitabel erscheint, muss dann nicht der Staat regulierend eingreifen? Tut er dies nicht in anderen Bestandteilen der Infrastruktur (Ver- und Entsorgung, Straßenbau) ebenso? Dazu müsste zunächst ein Breitband-Internetanschluss in definierter Mindestbandbreite als Universaldienst anerkannt werden. Warum sich deutsche politische
Verantwortungsträger nicht zu dieser Erkenntnis durchringen können, erschließt sich uns nicht. In anderen Ländern, z.B. der Schweiz oder skandinavischen Ländern ist dies bereits erfolgt. Deutschland und im Besonderen der Freistaat Sachsen droht so erneut die Entwicklung zu verschlafen. Es bleibt zu hoffen, dass nicht erst wieder internationale Studien, wie PISA ein Umdenken befördern müssen.
Die Breitbandpenetration in Deutschland selbst hat einen derartigen Stand (>50 Prozent) erreicht, dass man längst von einem Universaldienst reden kann. Nicht zuletzt muss Ihrer Aussage in der Stellungnahme widersprochen werden, dass „die Nutzung breitbandiger Internetzugänge
gegenwärtig nicht als unverzichtbar für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gilt.“ Gegenargumente habe ich eingangs angeführt.
Die zuletzt besonders stark gestiegenen Gewinne der Telekommunikations-Unternehmen sprechen zudem dafür, dass eine Verpflichtung zur Bereitstellung von Universaldiensten nicht zu einer Überforderung der Unternehmen führen würde.
Es wäre für die Betroffenen eine große Unterstützung, wenn der Freistaat Sachsen sich diesbezüglich für eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes einsetzen würde. Darüber hinaus sollte die grundsätzliche Ablehnung, den Infrastrukturausbau zu fördern, nochmals überdacht werden. Das diese Förderung wettbewerbs- und technologieneutral erfolgen kann, zeigen Beispiele aus anderen Ländern, z.B. der Schweiz oder Österreich.
Unsere Ortsteile sind das beste Beispiel, dass ein Vertrauen auf das Spiel der Märkte mitunter nicht zum Erfolg führt. Vielleicht wird sich das aufgrund des technischen Fortschritts mittelfristig ändern, wenn durch einen Preisverfall evtl. der Ausbau doch wieder profitabel wird.
Inzwischen ist jedoch auch in den versorgten Gebieten der Fortschritt mit dem Angebot immer ausgereifterer Lösungen verbunden, so dass sich die digitale Kluft nicht wirklich schließen, sondern eher vergrößern wird. Die beschriebenen Nachteile bestehen aber ohnehin heute und müssen kurzfristig gelöst werden!
Lassen Sie mich bitte abschließend auf die von Ihnen angeführten Alternativen zurückkommen, die nach Ihren Worten „die Gefahr einer digitalen Spaltung der Gesellschaft nicht bestehen lässt“. Die Versorgung mit Internetanbindungen über Satellit ist in der Tat gegeben. Die
Nachteile dieser Technologie sind aber ebenso augenscheinlich. So ist es aufgrund der langen Latenzzeiten und eingeschränkten Bandbreiten eben nicht möglich, moderne Anwendungen wie Voice over IP u.a. zu nutzen. Der Rückgriff auf herkömmliche Rückkanäle ist teuer, zumal pauschale Abrechnungssysteme (Flatrates) nicht oder nur zu hohen Preisen verfügbar sind. Auch die inzwischen verfügbaren Zwei-Wege-Systeme haben die genannten technischen Einschränkungen. Die Anschaffungskosten dafür liegen vergleichsweise extrem hoch. Das die
Preise „nicht so wesentlich über denen z.B. der DSL-Technologie liegen“, ist Ansichtssache. Wir halten Preise, die die Durchschnittskosten eines Breitbandanschlusses (bei gleichzeitiger Einschränkung der Leistung) um ein Mehrfaches überschreiten, schon für wesentlich höher!
Es gibt viele Menschen, die diese Kosten nicht tragen können und damit sehr wohl vom gesellschaftlichen Leben, dass wie beschrieben im ländlichen Raum zunehmend online stattfindet, ausgeschlossen werden.
Die Zukunft wird außerdem zeigen, ob Unternehmen mit Satelliten-Breitband-Angebot überhaupt
am Markt bestehen werden. So hat die Berliner Teles AG bereits angekündigt, ihren SkyDSL-Dienst zum Ende des Jahres 2007 einzustellen. Es muss erwartet werden, dass damit ein Prozess eingeleitet wird, der – ähnlich dem „Sterben“ der ISDN-Flatrates zu Beginn des 21. Jahrhunderts – letztlich zu einem Rückzug aller großen Anbieter aus diesem Segment führen wird. Die anderen angeführten Dienste (WIMAX, UMTS, HSDPA) unterliegen den gleichen Mechanismen wie die DSL-Technologie. Sie werden dort bereitgestellt, wo sie in kurzer Zeit Gewinne versprechen. Deshalb ist die Mobilfunkversorgung in unseren Ortsteilen auch nicht flächendeckend verfügbar. Die Kosten liegen im Übrigen auch nicht unwesentlich über denen vergleichbarer DSL-Angebote. Damit gilt hierfür das Gleiche, wie oben ausgeführt.
Ein Ausbau des WIMAX-Netzes ist vorerst nicht zu erwarten. Die DBD GmbH Heidelberg hat sich wieder zurückgezogen, als ein leicht erschließbarer Standort nicht gefunden werden konnte.
Sehr geehrter Herr Jurk,
wir bitten Sie vor dem Hintergrund der dargelegten Fakten die Herangehensweise der Staatsregierung an das Problem Breitband-Internet-Versorgung im ländlichen Raum nochmals zu
überdenken. Für eine Erörterung stehen wir gern zur Verfügung.
Für weitere Recherchen empfehlen wir auch die Seiten der Initiative gegen digitale Spaltung „Geteilt.de“ (http://www.geteilt.de), die wir als Bürgerinitiative unterstützen.
Eine Kopie dieses Anschreibens werden wir an die demokratischen Fraktionen und an die Mitglieder des Sächsischen Landtages aus unserem Landkreis übersenden.
Wir haben zudem vor, Ihr Antwortschreiben auf der Homepage der Bürgerinitiative zu veröffentlichen.
Sollten Sie damit nicht einverstanden sein, bitten wir Sie um einen entsprechenden Hinweis.
Mit den besten Wünschen für einen guten Start ins neue Jahr verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen
Herr Jurk hat mich darauf hin zu einem Gespräch in sein Ministerium eingeladen.
Gruß