DSL und Breitband für alle
Flächendeckende Breitbandversorgung
1. Welchen Stellenwert messen Sie einer flächendeckenden Versorgung mit Breitbandinternetanschlüssen, insbesondere hinsichtlich der Ermöglichung gesellschaftlicher Teilhabe und der Schaffung von Arbeitsplätzen zu?
Alle Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht, am technischen Fortschritt teilzuhaben. Zu dem im Grundgesetz verankerten Ziel, gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen, gehört auch eine flächendeckende Versorgung mit Breitband-Anschlüssen. Die Unterversorgung im ländlichen Raum und die daraus resultierende Benachteiligung dort ansässiger Unternehmen sind nicht hinzunehmen. Sie erfordern politisches Handeln. Freiwillige Vereinbarungen mit Unternehmensverbänden reichen nicht. DIE LINKE hat die Bundesregierung mehrfach aufgefordert, daraus die Konsequenzen zu ziehen und die notwendigen Maßnahmen umzusetzen.
2. Welche Wege sehen Sie, die bestehende digitale Spaltung in Deutschland zu überwinden?
Die Unterversorgung des ländlichen Raums mit Breitband-Infrastruktur ist ein typischer Fall von Marktversagen: Private Unternehmen konzentrieren sich auf den Ausbau von lukrativen Netzen in Ballungsgebieten und vernachlässigen den Ausbau in unprofitablen Regionen. Auf Anfrage der Fraktion DIE LINKE. hatte die Bundesregierung zunächst erklärt, die betroffenen Gemeinden sollten sich in erster Linie selbst helfen. Das ist auch der Tenor einer vom Bundeswirtschaftsministerium herausgegebenen „Entscheidungshilfe für Kommunen“, mit der diesen aufgezeigt wird, wie sie (falls sie über die Mittel verfügen) einen Netzausbau fördern können, ohne gegen EU-Recht zu verstoßen. Auch die anderen zaghaften Initiativen der Bundesregierung, blieben wirkungslos:
• Ihr Breitbandatlas wurde wegen mangelnder Aussagekraft selbst von Sympathisanten verlacht.
• Die Vergabe von Fördergeldern war eine wirkungslose Strategie, die zudem schlecht umgesetzt wurde – von den rund 16,7 Millionen 2008 zur Verfügung gestellten Euro, wurden weniger als 3,4 Prozent tatsächlich für den Breitbandausbau genutzt.
• Das Konjunkturpaket II – mit dem großspurig Investitionen in den Breitbandausbau angekündigt wurden – enthält keinen einzigen Euro, der speziell für neue Breitbandnetze vorgesehen ist.
• Die Hoffnung der Bundesregierung, mit einer Lockerung der Regulierung durch die Bundesnetzagentur könnten die Gewinne von Breitbandnetz-Betreibern gesteigert und Anreize zum Netz-Ausbau geschaffen werden, hat sich nicht erfüllt. Die Bundesnetzagentur hat stattdessen den Preis für die Nutzung des Telekom-Anschlussnetzes für Konkurrenten gesenkt. Die Deutsche Telekom AG befürchtet dadurch enorme Einnahmeausfälle und kündigte im Gegenzug an, ihren geplanten Breitbandausbau in der Fläche wieder auf den Prüfstand zu stellen.
Obwohl das Problem der regionalen Breitbandkluft schon lange offensichtlich ist, beschränkt sich die Bundesregierung im Wesentlichen auf Informationen und leere Worte. Dabei gibt es wirksame und für die öffentliche Hand günstige gesetzgeberische Möglichkeiten, die Breitbandlücke zu schließen (siehe Antwort auf Frage 3).
3. Unsere Initiative setzt sich für eine gesetzlich garantierte Grundversorgung in Form der Aufnahme von Breitbandanschlüssen in den Katalog der Telekommunikationsuniversaldienste ein. Teilen Sie unsere Auffassung? Können wir damit rechnen, dass Sie sich aktiv für eine entsprechende Anpassung der Richtlinie 2002/22/EG einsetzen werden?
Ja. Wir unterstützen Ihren Lösungsansatz voll und ganz. DIE LINKE. war die erste im Bundestag vertretene Partei, die sich für eine Ausweitung des Universaldienstes eingesetzt hat. Seitdem ist dieses Thema zumindest wieder in der öffentlichen Debatte: Die Bundesnetzagentur, aber auch andere Akteure und Parteien konnten diese Lösungsmöglichkeit nicht länger ignorieren. Nach Ansicht der LINKEN ist der Universaldienst zeitgemäß auszuweiten. Geregelt ist er in der EU-Universaldienstrichtlinie und im deutschen Telekommunikationsgesetz (TKG). Der Umfang des Universaldienstes ist allerdings nicht mehr zeitgemäß. Wurde früher ein analoger Telefonanschluss als Mindeststandard angesehen, so muss heute auch ein Breitband-Internetanschluss zur Grundversorgung gezählt werden. Die EU-Kommission hat eine solche europaweite Ausweitung des Universaldienstes bereits vor Jahren ins Gespräch gebracht. Auch ohne eine Ausweitung der europäischen Universaldienstrichtlinie hätte die deutsche Bundesregierung die Möglichkeit, breitbandiges Internet im TKG als Universaldienst zu verankern. Das sieht die die europäische Richtlinie in Artikel 32 ausdrücklich vor. Allerdings wurde dort auch festgeschrieben, dass die Unternehmen nicht zur Finanzierung verpflichtet werden dürfen. Deshalb setzt sich DIE LINKE dafür ein, den letzten Halbsatz des Art. 32 der Universaldienstrichtlinie zu streichen bzw. eine Ausweitung der Richtlinie auf Breitband-Internetanschlüsse vorzunehmen. Gleichzeitig muss der Umfang des Universaldienstes im TKG entsprechend erweitert werden. Für die Grundversorgung ist wichtig, dass die jeweiligen Anschlüsse vergleichbare Übertragungsraten gewährleisten und für den Nutzer zu vergleichbaren, erschwinglichen Preisen in Anspruch genommen werden können. Angesichts der rasanten Entwicklung im Breitbandbereich – die Verbindungen werden immer schneller und neue Anwendungen lassen sich immer seltener mit langsamen Verbindungen abrufen – sollte der Universaldienst regelmäßig angepasst werden. Denkbar wäre auch eine Orientierung an der unter den Breitbandnutzern jeweils gängigsten Bandbreite.
4. In der europäischen Diskussion befindet sich auch eine funktionale Trennung der Bereiche Netz und Betrieb. Dies würde in Deutschland eine Zerschlagung der Deutschen Telekom AG bedeuten. Befürworter sehen darin die Voraussetzung für schnelle Investitionen, insbesondere in neue Glasfasernetze. Welche Meinung vertritt Ihre Partei in dieser Frage?
DIE LINKE. sieht im Problem der Breitband-Unterversorgung eine negative Folge der Privatisierung der Telekom. Letztere hat aber auch noch viele andere Probleme mit sich gebracht – beispielsweise einen Abbau von Arbeitsplätzen und eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Bei einer einfachen Zerschlagung der Telekom würden sich die Bedingungen für die Beschäftigten voraussichtlich weiter verschlechtern. Allein das ist ein Grund, gegen eine solche Zerschlagung zu sein. Allerdings sehen wir auch nicht, dass die Trennung von (privatem) Netz und (privatem) Betrieb eine Verbesserung hinsichtlich der flächendeckenden Breitbandversorgung mit sich bringen würde.
Wie bei anderen Netzindustrien auch – beispielsweise im Bereich der Energieversorgung – besteht bei den Breitbandnetzen das Problem des natürlichen Monopols. Das heißt, es ist ökonomisch sinnvoller ein einziges leistungsfähiges Netz zu betreiben, als etwa mehrere Kabel parallel zu verlegen. Ein Wettbewerb im Netzbereich ist i.d.R. weder sinnvoll noch möglich. So sieht es DIE LINKE. auch durchaus kritisch, wenn in machen Großstädten mehrere konkurrierende Glasfasernetze verlegt werden, weil dort unter umständen Überkapazitäten geschaffen werden, während andernorts Geld für den Ausbau fehlt. Eine Zerschlagung der Telekom und selbst die Schaffung eines unabhängigen Netzbetreibers würde das Problem des natürlichen Monopols nicht lösen – denn auch dann würde es im Zweifelsfall einen privaten „Netzmonopolisten“ geben, der die Netzgebühren unter Umständen zu hoch ansetzt, und ebenfalls kein Interesse an einem Ausbau in unprofitablen Gebieten hat.
Anders sieht es aus, wenn das Netz in staatlichem Eigentum läge und der Ausbau sich nicht am zu erwartenden Gewinn, sondern beispielsweise am (politischen) Ziel der flächendeckenden Versorgung orientieren würde. Würde der Staat das Telefonnetz betreiben, könnte er den Ausbau auf dem Land mit den Einnahmen in Ballungszentren auch quersubventionieren. Solche Lösungsansätze wären aus unserer Sicht einer eingehenden Diskussion wert.
5. Als Lösung des Problems der Breitbandunterversorgung schlechthin scheint im Moment die Bereitstellung von Frequenzen aus der digitalen Dividende angesehen zu werden. Wie schätzen Sie die Debatte ein? Wann kann mit diesen Frequenzen gerechnet werden? Welche Zukunftsaussichten messen Sie der Funkversorgung mit Breitband generell zu?
Die Nutzung der Frequenzen im Rahmen der so genannten „Digitalen Dividende“ ist aus unserer Sicht mit verschiedenen Problemen verbunden: Zum einen sieht es derzeit so aus, dass die Frequenzen selbst im Idealfall frühestens 2010 versteigert werden können, der entsprechende Ausbau also noch weiter verschoben würde. Zum zweiten besteht das Problem, dass die Nutzung der entsprechenden Frequenzen mit den bislang zugesicherten Nutzungsbedingungen für den Reportagefunk und Zuteilungen für drahtlose Mikrofone insbesondere im Kulturwirtschaftsbereich im Konflikt steht. Vor allem aber bleibt fraglich, ob es mit dem ins Auge gefassten Frequenzbereich wirklich möglich ist, eine leistungsstarke flächendeckende Breitbandversorgung zu schaffen.
DIE LINKE. hat sich im Rahmen ihrer Vorschläge zum Universaldienst zwar bislang für eine technikneutrale Lösung ausgesprochen. Es zeichnet sich allerdings immer stärker ab, dass eine Versorgung, die hinsichtlich der Übertragungsraten auch in Zukunft noch zeitgemäß ist, nur durch einen Ausbau des Glasfaser-Kabelnetzes zu erreichen ist. In der momentanen wirtschaft-lichen Krisen-Situation, könnte ein Ausbau des Kabelnetzes zudem große positive konjunkturelle Effekte mit sich bringen und Arbeitsplätze sichern.
6. In anderen Ländern werden schon im breiten Maße Glasfaseranschlüsse für Privathaushalte angeboten. Deutschland ist auf diesem Gebiet eher ein Entwicklungsland. Was hält Ihre Partei für geboten, diesen Zustand zu ändern?
Dieser Zustand muss und kann geändert werden. Mittlerweile verliert Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes weltweit den Anschluss. Das Wachstum auf dem DSL-Markt hat sich hierzulande im vergangenen Jahr spürbar verlangsamt. Legten sich 2006 und 2007 noch jeweils etwa 4,5 Millionen Haushalte erstmals einen Breitband-Anschluss per DSL oder Fernsehkabel zu, waren es 2008 nur noch 3,3 Millionen. Beim Anteil der Bevölkerung, der einen Breitbandanschluss nutzt, liegt Deutschland in der Europäischen Union (EU) nur auf Platz neun. Während in Deutschland noch nicht einmal langsame Übertragungsraten von 128 kbit/s überall zur Verfügung stehen, arbeitet Südkorea mittlerweile an der flächendeckenden Versorgung mit fast 8000 Mal schnelleren Anschlüssen, die Übertragungsraten von einem Gigabit pro Sekunde bieten. In Australien will der Staat ein eigenes Glasfasernetz aufbauen und dafür umgerechnet 22 Milliarden Euro investieren. Würde die deutsche Bundesregierung ein ähnliches Programm auflegen, könnten nicht nur unmittelbar neue Aufträge für die krisengeschüttelte Bauindustrie und viele neue Arbeitsplätze bei der Verlegung der Glasfaserkabel geschaffen werden. DIE LINKE fordert die Bundesregierung auf, ihr Versprechen, für flächendeckende Versorgung mit schnellen Internetanschlüssen zu sorgen, endlich wahr zu machen. Die Bundesregierung muss ihre konzeptionslose Breitbandstrategie komplett überarbeiten und effektive Investitionen in den flächendeckenden Glasfaser-Ausbau vorantreiben – auch um sofort konjunkturelle Impulse zu setzen und Arbeitsplätze neu zu schaffen. Die Bundesregierung muss ihren Widerstand gegen die Ausweitung des Universaldienstes aufgeben und schnelle Internetanschlüsse für alle Haushalte in Deutschland gesetzlich garantieren.