POSITIONSPAPIER UNIVERSALDIENST

Positionen, Ziele und Aktionen der Interessenvertretung Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- e. V.

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Beitragvon geteilt.de » 16.07.2008 10:16

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Thema von: bru62
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Der Bundesverband Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- e. V. sieht in der Aufnahme von Breitbandinternetanschlüssen als Universaldienst einen Weg zur nachhaltigen Aufhebung der digitalen Kluft in Deutschland. Im nachfolgenden Positionspapier wird diese Meinung erläutert:

Universaldienst in der Telekommunikation – der Weg zum Breitband für alle

Mehr als drei Viertel der über 14-jährigen Deutschen, konkret über 53,2 Millionen Bürgerinnen und Bürger sind regelmäßig online. Dies ist die Kernaussage des (N)onliner Atlas 2013 der Initiative D21. Die Fähigkeit zur qualifizierten Nutzung des Internets ist inzwischen immer häufiger Voraussetzung, um im Beruf zu bestehen. Der stark wissensbasierte Wirtschaftsstandort Deutschland braucht Arbeitnehmer mit IT- und Internetkompetenz. Aber auch das alltägliche Leben wird inzwischen durch das Internet geprägt. Der Zugang zum Internet ist immer mehr gleichbedeutend mit gesellschaftlicher Teilhabe.

Der Zugang zum Internet kann heute nur noch sinnvoll über einen Breitbandanschluss hergestellt werden. Nur noch knapp 15 Prozent aller Internetnutzer gehen schmalbandig online. Breitband ist damit zum Standard unter den Netzzugängen geworden. 

Doch noch immer gibt es hundertausende Haushalte und unzählige Gewerbetreibende in Deutschland, denen kein Breitbandanschluss zur Verfügung steht. Vor allem ländliche Gebiete und hierbei besonders die neuen Bundesländer sind betroffen. Dabei bedeutet Breitband laut Bundesregierung eine Mindest-Download-Geschwindigkeit von 1 Mbit/s. Zieht man in Betracht, dass heute Bandbreiten von 6 Mbit/s als Untergrenze sinnvoller Nutzung angesehen wird, sind lediglich zwischen 75 und 95 Prozent der Bundesbürger angemessen versorgt.  

Der Ruf nach Schließung der Lücken in der Breitbandinfrastruktur wurde in den letzten Jahren immer lauter und hat zu zahlreichen Initiativen bei Bund und Ländern geführt. An der Diskussion beteiligen sich auch Bürgerinitiativen wie der Bundesverband Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- e. V.. Verschiedene Optionen zur Aufhebung der „weißen“ und „grauen“ Flecken in der Telekommunikationsinfrastruktur werden gegenwärtig verfolgt. Eine davon ist die Aufnahme von Breitbandanschlüssen in den Katalog der Universaldienstleistungen in der Telekommunikation. Der  Bundesverband Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- e. V. befürwortet diese Variante. 

Nachfolgend soll diese Position näher begründet werden.

Der Begriff Universaldienst wurde im Zuge der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes mit Aufhebung des staatlichen Fernmeldemonopols eingeführt und ist Ausdruck des durch den Bund zu gewährleistenden Grundversorgungsauftrages. Dieser ist im Artikel 87f GG verankert: „Nach Maßgabe eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.“ Damit sollte verhindert werden, dass wirtschaftlich weniger attraktive Gebiete in einem privatisierten, gewinnorientierten Markt von der Versorgung ausgeschlossen werden.

Als Universaldienst wird im Telekommunikationsgesetz im wesentlichen „der Anschluss an ein öffentliches Telekommunikationsnetz an einem festen Standort, der Gespräche, Telefaxübertragungen und die Datenkommunikation mit Übertragungsraten ermöglicht, die für einen funktionalen Internetzugang ausreichen,“ bestimmt. Sollte der Markt versagen, kann der Staat Unternehmen zur Erbringung der Dienstleistung verpflichten. Die Kosten werden dann von allen am Markt tätigen Unternehmen getragen (Universaldienstleistungsabgabe). Bisher wurde ein solches Verfahren in Deutschland nicht angewandt.

Der Staat garantiert mit den geltenden Universaldienstleistungen ein aus heutiger Sicht absolutes Mindestangebot. Ob es sich dabei noch um dem Grundgesetz entsprechende „angemessene und ausreichende Dienstleistungen“ handelt, muss deutlich in Frage gestellt werden.

Dem Gesetzgeber ist es selbstverständlich freigestellt, den Katalog der Universaldienstleistungen neuen Entwicklungen anzupassen. Er muss allerdings auf europäisches Recht Rücksicht nehmen.

Auf dieser Ebene wird der Universaldienst in der Richtlinie 2002/22/EG (UDR) und der gültigen Änderung 2009/136/EG ähnlich dem deutschen Recht beschränkt: „Datenanschlüsse an das öffentliche Kommunikationsnetz an einem festen Standort sollten Datenkommunikation mit Übertragungsraten ermöglichen, die für den Zugang zu Online-Diensten, wie sie z. B. über das öffentliche Internet angeboten werden, geeignet sind.“ Eine Mindestbandbreite wird bewusst nicht angegeben. Damit sollen „die Mitgliedstaaten gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen können, um zu gewährleisten, dass die Anschlüsse zufrieden stellende Übertragungsraten unterstützen können, die für einen funktionalen Internetzugang nach der Definition der Mitgliedstaaten ausreichen.“ Es ist also Sache der Mitgliedsstaaten, zu definieren, welche Parameter einen „funktionalen Internetzugang“ charakterisieren. Dies wird vom Gesetzgeber bis heute nicht getan.

Die Bundesregierung vertraut noch immer auf wettbewerbliche Lösungen. Der Wettbewerb hat zweifellos einen entscheidenden Anteil an der Verbreitung der Breitbandtechnologien in Deutschland geleistet. Immer deutlicher wird jedoch, dass der Markt in einigen Gebieten versagt. Investitionen werden eben nur dort vorgenommen, wo sie sich möglichst kurzfristig rentieren. Dies gilt für alle Technologien gleichermaßen. Ein weiteres Abwarten und Hoffen auf durch Wettbewerb getriebene Investitionen kann dazu führen, dass Bürger auf Dauer von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen werden. Deshalb muss ein „Masterplan“ her, der das Problem nachhaltig löst. Ein solcher „Masterplan“ kann und muss aus Sicht des Bundesverbandes Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- e. V. die Aufnahme von Breitbandanschlüssen in den Katalog der Universaldienstleistungen beinhalten. Dafür sprechen mehrere Gründe:

1. Von sich aus bauen Unternehmen nur da aus, wo sich kurzfristig Gewinn erwirtschaften lässt. Zudem erfolgt der Ausbau zur Eroberung von Marktanteilen oftmals gerade dort, wo bereits eine ausreichende Versorgung vorhanden ist. Eine planmäßige Flächendeckung ist durch privatwirtschaftliches Handeln nicht zu erwarten.

2. Durch öffentliche Gelder geförderter Breitbandausbau kann punktuell die Wirtschaftlichkeitslücke schließen. In zahlreichen Regionen Deutschlands wurden so Verbesserungen der Situation erreicht. Allerdings hat das Verfahren gravierende Nachteile. Es verlagert die Verantwortung für den Ausbau auf kommunale Ebene. Dort ist man damit oftmals überfordert. Außerdem sind viele Kommunen nicht in der Lage, die geforderten Eigenanteile aufzubringen. Nicht zuletzt gibt es unzählige Gemeinden, für die in Ausschreibungen kein Angebot abgegeben wird. Dies betrifft vor allem Anfang der 90'er Jahre mit Glasfaser (HYTAS94) ausgebaute Regionen. Die öffentliche Förderung des Breitbandausbaus verfolgt zudem das Ziel, Mindestbandbreiten bereitzustellen. Das kann dazu führen, dass Gemeinden heute öffentlich finanziert einen Breitbandanschluss erhalten, der schon in wenigen Jahren als unzureichend angesehen werden wird. Damit wird das Problem nur temporär gelöst. Öffentliche Förderung führt weiterhin dazu, dass Unternehmen abwarten und eine Mitnahmementalität entwickeln. Dafür spricht, dass bereits seit Jahren fast kein Breitbandausbau außerhalb von Ballungsräumen erfolgt, wenn nicht eine öffentliche Förderung erfolgt.

Eine Universaldienstverpflichtung, die regelmäßig angepasst wird, wirkt wesentlich nachhaltiger. Sie schafft Verbindlichkeit und sichert die gesellschaftliche Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrem Wohn- und Arbeitssitz. Dabei schließt Universaldienst Wettbewerb nicht aus. Genauso, wie auf dem Strommarkt Universaldiensterbringer und andere Unternehmen um die Kunden werben, wird es auch auf dem Tk-Sektor weiterhin Wettbewerb geben. Außerdem ist der Universaldienst die Sicherung eines Mindeststandards. Natürlich kann der Universaldienst nicht „über Nacht“ eingeführt werden. Nötig sind Übergangsregelungen und ein gewisser bürokratischer Aufwand. Auch ist es möglich, dass nach der Einführung eines Universaldienstes zunächst die Kosten von Internetanschlüssen steigen. Dieser Entwicklung wirkt aber der nach Verfügbarkeit der Infrastruktur rasch eintretende Wettbewerb entgegen. 

Zusammenfassung

Der Wettbewerb hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass Breitband eine starke Verbreitung gefunden hat und die Preise für die Verbraucher gesunken sind. Zunehmend wird aber deutlich, dass er nicht alle Versorgungslücken schließen kann. Um weiterhin gleichwertige Lebensverhältnisse zu gewährleisten, müssen Wege gefunden werden, das Problem der digitalen Kluft in Deutschland zu lösen. Im wesentlichen werden in der Öffentlichkeit zwei Wege diskutiert. Während die politische Mehrheit weiterhin auf Wettbewerb und ergänzende staatliche Förderung setzt, sieht eine anwachsende Minderheit in der Aufnahme von Breitbandanschlüssen in die Universaldienstleistungen den richtigen Weg. 

Der Bundesverband Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- e. V. bekennt sich klar zum Breitband-Internet als Universaldienstleistung.


weiterführende Informationen und Quellen:

Telekommunikationsgesetz (TKG)
EU-Richtlinie 2002/22/EG (Universaldienstrichtlinie)
Herbert Kubicek: Die Universaldienstdefinition in der Telekommunikation als Projektionsfläche für unterschiedliche Hoffnungen und Befürchtungen - Rückblick und Ausblick

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