Universaldienst in der Telekommunikation – der Weg zum Breitband für alle
Zwei Drittel der über 14-jährigen Deutschen, konkret über 42 Millionen Bürgerinnen und Bürger sind regelmäßig online. Dies ist die Kernaussage des (N)onliner Atlas 2008 der Initiative D21 Die Fähigkeit zur qualifizierten Nutzung des Internets ist inzwischen immer häufiger Voraussetzung, um im Beruf zu bestehen. Der stark wissensbasierte Wirtschaftsstandort Deutschland braucht Arbeitnehmer mit Computer- und Internetkompetenz. Aber auch das alltägliche Leben wird inzwischen durch das Internet geprägt. Der Zugang zum Internet ist immer mehr gleichbedeutend mit gesellschaftlicher Teilhabe.
Der Zugang zum Internet wird heute zunehmend über einen Breitbandanschluss hergestellt. Mehr als 65 Prozent aller Internetnutzer gehen breitbandig online. Breitband ist damit zum Standard unter den Netzzugängen geworden. Eine sinnvolle Nutzung des Internets zu niedrigen Preisen ist in zunehmendem Maße nur mit einem Breitbandanschluss möglich.
Doch noch immer gibt es Millionen Haushalte und unzählige Gewerbetreibende in Deutschland, denen kein Breitbandanschluss zur Verfügung steht. Vor allem ländliche Gebiete und hierbei besonders die neuen Bundesländer sind betroffen. Sechs Millionen Bürgerinnen und Bürger sind damit quasi von einer, dem Stand der Technik entsprechenden, Internetnutzung ausgeschlossen. Der Ruf nach Schließung der Lücken in der Breitbandinfrastruktur wurde in den letzten Jahren immer lauter und hat inzwischen die Parlamente erreicht. An der Diskussion beteiligen sich auch Bürgerinitiativen wie die Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de-. Verschiedene Optionen zur Aufhebung der „weißen Flecken“ in der Telekommunikationsinfrastruktur werden gegenwärtig erörtert. Eine davon ist die Aufnahme von Breitbandanschlüssen in den Katalog der Universaldienstleistungen in der Telekommunikation. Die Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- befürwortet diese Variante. Nachfolgend soll diese Position näher begründet werden.
Der Begriff Universaldienst wurde im Zuge der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes mit Aufhebung des staatlichen Fernmeldemonopols eingeführt und ist Ausdruck des durch den Bund zu gewährleistenden Grundversorgungsauftrages. Dieser ist im Artikel 87f GG verankert: „Nach Maßgabe eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.“ Damit sollte verhindert werden, dass wirtschaftlich weniger attraktive Gebiete in einem privatisierten, gewinnorientierten Markt von der Versorgung ausgeschlossen werden.
Als Universaldienst wird im Telekommunikationsgesetz im wesentlichen „der Anschluss an ein öffentliches Telefonnetz an einem festen Standort und der Zugang zu öffentlichen Telefondiensten an einem festen Standort mit - soweit technisch möglich - den Dienstemerkmalen Anklopfen, Anrufweiterschaltung und Rückfrage/Makeln ...“ bestimmt. Sollte der Markt versagen, kann der Staat Unternehmen zur Erbringung der Dienstleistung verpflichten. Die Kosten werden dann von allen am Markt tätigen Unternehmen getragen (Universaldienstleistungsabgabe). Bisher wurde ein solches Verfahren in Deutschland nicht angewandt.
Der Staat garantiert mit den geltenden Universaldienstleistungen ein aus heutiger Sicht absolutes Mindestangebot. Ob es sich dabei noch um dem Grundgesetz entsprechende „angemessene und ausreichende Dienstleistungen“ handelt, muss deutlich in Frage gestellt werden.
Dem Gesetzgeber ist es selbstverständlich freigestellt, den Katalog der Universaldienstleistungen neuen Entwicklungen anzupassen. Er muss allerdings auf europäisches Recht Rücksicht nehmen.
Auf dieser Ebene wird der Universaldienst in der Richtlinie 2002/22/EG (UDR) ähnlich dem deutschen Recht als Möglichkeit „Orts-, Inlands- und Auslandsgespräche zu führen sowie Telefax- und Datenkommunikation mit Übertragungsraten, die für einen funktionalen Internetzugang ausreichen, durchzuführen“, bestimmt. Dabei ist „die von der Mehrzahl der Teilnehmer vorherrschend verwendeten Technologie und die technische Durchführbarkeit“ zu berücksichtigen . Breitband wurde bisher als nur von einer Minderheit genutzte Technologie angesehen. Die Mitgliedsstaaten können gemäß Artikel 32 ohne Weiteres den Katalog der Universaldienstleistungen in ihrem Hoheitsgebiet erweitern. Allerdings „ohne das in einem solchen Fall ein Entschädigungsverfahren ... vorgeschrieben werden darf.“ Ein im nationalen Recht mögliches Umlageverfahren ist demnach ausgeschlossen. Die Kosten müssten staatlich finanziert werden. Davor schreckt die Bundesregierung bis jetzt zurück.
Um eine Ausdehnung der Universaldienstdefinition auf Breitbandanschlüsse in Übereinklang mit EU-Recht zu erreichen, werden zwei Wege gesehen.
Erstens muss die Bundesrepublik darauf hinwirken, dass der Umfang der Universaldienstleistungen in der UDR auf Breitbandanschlüsse erweitert wird. Dazu findet in diesem Jahr eine in Artikel 15 der UDR vorgeschriebene Überprüfung statt. Wie eingangs festgestellt, ist Breitband in Deutschland inzwischen der Standard-Netzzugang. Ähnliches gilt für andere Mitgliedsländer der EU (zumindest der EU15). Damit ist Breitband offenbar die „von der Mehrzahl der Teilnehmer vorherrschend verwendete Technologie“ und könnte Aufnahme finden. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Meinung durchsetzen wird. Eine Erweiterung der Universaldienstdefinition wird auf Grund der ständig wachsenden Zahl der Breitbandnutzer in jedem Fall kommen. Es handelt sich offenbar nur um eine Frage des Zeitpunktes. Es stünde Deutschland gut zu Gesicht, in dieser Frage auf europäischer Ebene Vorreiter zu sein.
In Frage käme schließlich auch eine Änderung des Artikels 32 der Richtlinie in der Form, dass ein Umlageverfahren im Hoheitsgebiet der Mitgliedsländer möglich ist.
Zweitens könnte die Bundesrepublik Breitband als Universaldienst definieren, ohne ein entsprechendes Umlageverfahren durchzuführen. Die Kosten für den erforderlichen Infrastrukturausbau werden auf ca. eine Milliarde Euro geschätzt. Eine Förderung in dieser Größenordnung aus Steuermitteln wäre für ein reiches Land wie Deutschland zwar möglich, erscheint in der herrschenden politischen Konstellation jedoch gegenwärtig illusorisch. Auch die Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- steht einem Infrastrukturausbau mit Steuermitteln skeptisch gegenüber. Unternehmen, die in Ballungsräumen Gewinne erzielen, sollten vielmehr verpflichtet werden, einen Teil davon in wirtschaftlich weniger attraktiven Gebieten zu investieren.
Die Bundesregierung vertraut noch immer auf wettbewerbliche Lösungen. Der Wettbewerb hat zweifellos einen entscheidenden Anteil an der Verbreitung der Breitbandtechnologien in Deutschland geleistet. Immer deutlicher wird jedoch, dass der Markt in einigen Gebieten versagt. Investitionen werden eben nur dort vorgenommen, wo sie sich rentieren. Dies gilt für alle Technologien gleichermaßen. Ein weiteres Abwarten und Setzen auf Wettbewerb kann dazu führen, dass Bürger auf Dauer von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen werden. Deshalb muss ein „Masterplan“ her, der das Problem nachhaltig löst. Ein solcher „Masterplan“ kann und muss aus Sicht der Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- die Aufnahme von Breitbandanschlüssen in den Katalog der Universaldienstleistungen sein. Dafür sprechen mehrere Gründe:
1. Für eine zielgerichtete Förderung fehlt bisher eine verlässliche Datenbasis. Der „Breitband-Atlas“ der Bundesregierung zeigt nur unzureichend die „weißen Flecken“ an. Privat organisierte Datenerhebungen „von unten“ können allenfalls ergänzend wirken. Unternehmen sind nicht verpflichtet, Angaben zur Angebotsdichte zu machen. Die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde beobachtet nur die als Universaldienst definierten Dienstleistungen und kann nur zu deren Verbreitung genaue Auskunft geben. Ein Einbeziehung von Breitbandanschlüssen in den Universaldienst würde schlagartig die Verfügbarkeit von Daten über unversorgte Gebiete verbessern, weil die BNetzA dann in einem Feststellungsverfahren diesen Markt beobachten könnte.
2. Die durch Bund und Länder ins Auge gefasste Förderung des Breitbandausbaus verfolgt das Ziel, Mindestbandbreiten bereitzustellen. Das kann dazu führen, dass Gemeinden heute staatlich finanziert einen Breitbandanschluss erhalten, der schon in wenigen Jahren als unzureichend angesehen werden wird. Damit wird das Problem nur temporär gelöst. Eine Universaldienstverpflichtung, die regelmäßig dem Stand der Technik angepasst wird, wirkt wesentlich nachhaltiger. Damit kann auch besser auf neue, schnell wachsende Technologien wie Voice over IP oder IPTV reagiert werden, die völlig neue Anforderungen an die Telekommunikationsinfrastruktur stellen.
3. Unternehmen erzielen auf dem Telekommunikationsmarkt enorme Gewinne. Allein die Deutsche Telekom erzielte 2007 einen Gewinn von mehreren Milliarden Euro. Es entspräche dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes, wenn ein Teil dieser Erlöse für Investitionen auch an Standorten, die keinen schnellen Gewinn versprechen, eingesetzt würden. Dies scheint nur durch eine Aufnahme von Breitbandanschlüssen als Universaldienst möglich zu sein. Die Ankündigung staatlicher Förderung führt jedoch dazu, dass Unternehmen abwarten und eine Mitnahmementalität entwickeln.
Zusammenfassung
Der Wettbewerb hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass Breitband eine starke Verbreitung gefunden hat und die Preise für die Verbraucher gesunken sind. Zunehmend wird aber deutlich, dass er nicht alle Versorgungslücken schließen kann. Um weiterhin gleichwertige Lebensverhältnisse zu gewährleisten, müssen Wege gefunden werden, das Problem der digitalen Kluft in Deutschland zu lösen. Im wesentlichen werden in der Öffentlichkeit zwei Wege diskutiert. Während die politische Mehrheit weiterhin auf Wettbewerb und ergänzende staatliche Förderung setzt, sieht eine anwachsende Minderheit in der Aufnahme von Breitbandanschlüssen in die Universaldienstleistungen den richtigen Weg. Die Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- als Betroffenenvertretung bekennt sich klar zum Breitband als Universaldienstleistung.
weiterführende Informationen und Quellen:
Telekommunikationsgesetz (TKG)
EU-Richtlinie 2002/22/EG (Universaldienstrichtlinie)
Herbert Kubicek: Die Universaldienstdefinition in der Telekommunikation als Projektionsfläche für unterschiedliche Hoffnungen und Befürchtungen - Rückblick und Ausblick
Stellungnahme des VATM
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