Thema von: bru62
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Der Bundesverband Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- e. V. beteiligt sich mit einem Positionspapier an der Debatte über Wege zum flächendeckenden Glasfaserzugangsnetz.
Wege zum flächendeckenden Glasfaserzugangsnetz
Positionspapier
Über neun Milliarden Gigabyte Daten wurden 2014 im deutschen Festnetz übertragen. Das bedeutet ein monatliches Volumen von 27 Gigabyte pro Anschluss (1). Damit setzt sich eine dynamische Entwicklung der letzten Jahre fort. Experten sprechen von einer jährlichen hundertprozentigen Zunahme der im Internet transportierten Datenmenge. Neue Dienste, wie zum Beispiel eHealth, eEnergy, eMobility, Cloud-Computing usw. stellen neue Anforderungen an die Zugangsnetze. Man kann davon ausgehen, dass sich die Anforderung an die Geschwindigkeit der Datenübertragung alle fünf Jahre verzehnfacht. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie dieser Herausforderung zu begegnen ist. Längst ist klar, dass wir uns auf dem Weg ins Gigabit-Zeitalter befinden. Alle bisher eingesetzten Breitbandtechnologien stoßen hier an ihre Grenzen. Sie sind vielleicht ausreichend, den heutigen und mittelfristig absehbaren Bedarf zu decken. Auf längere Sicht führt an einer Investition in Glasfaserzugangsnetze zweifellos kein Weg vorbei. Darin liegt zugleich die Chance, Netze völlig neu zu errichten und für die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte fit zu machen. Gleichwohl dieser Erkenntnis gibt es in Deutschland momentan keine signifikanten Anstrengungen, diese Herausforderung anzunehmen. Zahlreiche Industriestaaten sind bereits wesentlich weiter. Der Bundesverband Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- e. V. hält die zögerliche Haltung von Politik und Wirtschaft daher für inakzeptabel. Ein weiteres Abwarten kann bedeuten, in einen Rückstand zu geraten, der später nur schwer und mit erheblich höheren Kosten aufholbar sein dürfte und dem Wirtschaftsstandort Deutschland großen volkswirtschaftlichen Schaden zufügen kann. Es ist höchst überfällig, einen Masterplan zum flächendeckenden Ausbau der Glasfaserzugangsnetze zu erstellen. Nachfolgend soll skizziert werden, wie ein solcher Plan aus unserer Sicht aussehen könnte.
1. regulatorische Fragen
Wir halten es für einen Fehler, dass im Zuge der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes Netz und Betrieb der Telekom nicht getrennt wurden. Bei Infrastrukturen wie dem Zugangsnetz handelt es sich um ein natürliches Monopol. Es macht volkswirtschaftlich keinen Sinn, mehrere Netze nebeneinander zu errichten und zu betreiben. Deshalb ist das Interesse der Netzbetreiber gering, Investitionen vorzunehmen, um dann ihre Gewinne mit anderen teilen zu müssen, die dieses Netz mitnutzen. Wir sehen darin den Hauptgrund dafür, dass die eigentlich nötigen Investitionen ausbleiben. Es sollte also Ziel der Politik sein, diesen Fehler zu korrigieren. Da der Einstieg in ein Glasfaserzugangsnetz in Deutschland erst am Anfang steht, besteht auch die Chance dazu. Wir begrüßen Modelle, nach denen zum Beispiel Stadtwerke Netze errichten und diskriminierungsfrei an Telekommunikationsanbieter vermieten. Aber diese Modelle sind regional begrenzt. Es ist nicht zu erwarten, dass auf diesem Weg der notwendige flächendeckende Ausbau realisiert werden kann. Dazu bedarf es eher einer überregionalen Institution. Wir halten deshalb viel von der Idee einer Breitband AG. In Verantwortung dieser Gesellschaft liegt die Planung, Errichtung und Weitervermietung des gesamten Glasfasernetzes innerhalb festgelegter Regionen. Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen, einen einheitlichen Netzbetreiber für das gesamte Bundesgebiet zu installieren. Die Gefahr einer Monopolbildung sehen wir nicht. Es handelt sich – wie erwähnt – um ein natürliches Monopol. Jeder Betreiber von Zugangsnetzen definiert bereits heute den Preis für die Nutzung durch andere. Bei der Teilnehmeranschlussleitung der Deutschen Telekom wird dieser Preis staatlich festgelegt. Es spricht nichts dagegen, auch die Miete für ein Glasfaserzugangsnetz politisch zu bestimmen. Daraus folgt, dass die Breitband AG auch ein staatliches Unternehmen sein kann. Dies hätte zudem den Vorteil, den Ausbau politisch beeinflussen zu können. Es ist ein Hauptproblem des heutigen Investitionsstaus, dass die Politik zwar die Zielmarken setzt, aber selbst hauptsächlich nicht aktiv wird, sondern die Telekommunikationswirtschaft in der Pflicht sieht. Daraus resultiert ein „Schwarze-Peter-Spiel“, dass nicht selten den Ausbau blockiert. Mit der staatlichen Breitband AG würde dieses Problem nachhaltig aus der Welt geschafft. Außerdem dürfte bei diesem Modell nicht die Notwendigkeit einer schnellen Amortisierung der Investitionen bestehen. Vielmehr können hier langfristige Abschreibungsfristen angelegt werden, wie sie bei öffentlichen Investitionen üblich sind. Zudem kann sich der Staat zu wesentlichen günstigeren Bedingungen Geld leihen, was zu einer deutlichen Kostenreduzierung führen dürfte.
Aus unserer Sicht gibt es zum Modell Breitband AG keine Alternative. Deshalb fordern wir von den politischen Akteuren, dieses Modell zügig umzusetzen.
2. finanzielle Fragen
Die Kosten für einen flächendeckenden Neubau des Glasfaserzugangsnetzes werden nach Schätzungen des WIK-Instituts auf ca. 70 bis 80 Milliarden Euro geschätzt. Obwohl es sich dabei um eine „Greenfield“-Analyse handelt und die Kosten in der Realität aufgrund der Möglichkeit der Mitnutzung vorhandener Infrastruktur niedriger anfallen dürften, ist die Dimension der Aufgabe klar.
Es ist nicht zu erwarten, dass die Telekommunikationswirtschaft bereit sein wird, diese Kosten, insbesondere in wegen ihrer dünnen Besiedlung unattraktiven Regionen, aufzubringen. Gleichzeitig ist nicht zu erwarten, dass aufgrund des bestehenden, in Teilen ruinösen Wettbewerbs auf dem Telekommunikationsmarkt die Preise für Anschlüsse an das Zugangsnetz signifikant erhöht werden können. Dies gilt vor allem bei Betrachtung der gegenwärtig noch gering ausgeprägten Nachfrage nach Hochleistungsanschlüssen. Damit fällt eine Finanzierungsoption weg. Es muss daher nach Alternativen gesucht werden.
Die Bundesländer unterstützen bereits heute den Ausbau der Zugangsnetze mittels verschiedener Förderprogramme, wobei diese aufgrund der zum Teil angespannten Haushaltssituationen sehr unterschiedlich ausfallen. Insgesamt muss allerdings konstatiert werden, dass diese Art der Finanzierung bisher im Gegensatz zu Programmen zum Schließen „weißer Flecken“ für den Ausbau des Glasfaserzugangsnetzes noch nicht zielführend ist. Dies liegt auch in den EU-Förderregularien begründet, die vor allem auf Technologieneutralität und weit unzureichende Ziel-Bandbreiten ausgerichtet sind. Der Bund hält sich – obwohl von den Bundesländern ständig gedrängt und entgegen zunächst ins Auge gefasster Vorhaben – bei der Förderung des Glasfaserzugangsnetzes zurück. Es muss daher festgestellt werden, dass die bisherigen Fördermodelle für die Finanzierung des Netzes ungeeignet sind. Hinzu kommt die allgemeine Kritik an der öffentlichen Förderung des Breitbandausbaus. Die Verantwortung wird auf die kommunale Ebene verschoben, dahin, wo die geringste dafür notwendige Kompetenz besteht. Wir sehen außerdem in der öffentlichen Förderung eine Form der Vergesellschaftung der Verluste, während die später anfallenden Gewinne privatisiert werden. Vielversprechender aus unserer Sicht ist es, Verluste – wenn auch über einen längeren Zeitraum – durch Gewinne auszugleichen. Dies funktioniert nur, wenn das Netz in Form einer Breitband AG errichtet und betrieben wird.
Gleichzeitig ist es notwendig, alle sachdienlichen nichtmonetären Möglichkeiten des Staates auszunutzen. Dazu gehört die gesetzliche Verpflichtung zum Mitverlegen von Leerrohren bei allen Tiefbauarbeiten genauso wie die Verpflichtung aller – privater wie öffentlicher - Netzbetreiber, ihre Infrastruktur (Leerrohre, unbeschaltete Glasfaser usw.) gegen Gebühr zur Verfügung zu stellen.
Der flächendeckende Ausbau des Glasfasernetzes stellt eine Generationenaufgabe dar, ähnlich der des Baus der Eisenbahnnetze im neunzehnten und des Fernstraßenbaus in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Oft wird beim Glasfaserzugangsnetz plakativ vom „Highway der Zukunft“ gesprochen. Man muss sich deshalb der Dimension bewusst werden und die entsprechenden Weichen stellen. Finanzierungsmöglichkeiten gibt es zahlreiche. So kommen ebenso Finanzierungsprogramme der KfW infrage wie Anleihen, die Ausgabe von Aktien, ein zeitlich begrenzter Aufschlag auf Breitbandinternettarife oder eine zeitlich befristete zweckgebundene Abgabe. Dem Argument, dass damit die Bevölkerung zusätzlich und eventuell unzumutbar belastet wird, kann entgegen gehalten werden, dass jede – auch bisherige – öffentliche Förderung letztlich aus Abgaben der Bürgerinnen und Bürger bzw. der Wirtschaft resultiert. Auch der mögliche Einwand, dass keine Schulden entstehen dürfen, die spätere Generationen zu tragen hätten, greift zu kurz. Denn mit der Errichtung des Glasfaserzugangsnetzes entsteht eine Infrastruktur, die gerade von diesen Generationen erst in vollem Inhalt genutzt werden wird.
Die Frage ist wie bei allen politischen Entscheidungen, etwas mehrheitlich zu wollen. Wenn das klar ist, findet man erfahrungsgemäß auch Wege.
3. planerische Fragen
Es bedarf zunächst einer klaren Zielvorgabe. Diese kann nur darin bestehen, in einem zu bestimmenden Zeitraum eine nahezu vollständige Flächendeckung zu erreichen. Wir halten dabei eine Frist von zehn bis fünfzehn Jahren für realistisch.
Erster Schritt muss aus unserer Sicht die Einrichtung der Breitband AG und die Sicherung der Finanzierung sein. Sodann ist in Verantwortung dieser Gesellschaft eine Einteilung des Landes in Cluster vorzunehmen. Diese sollten so zugeschnitten sein, dass sie sowohl städtische als auch ländliche Regionen umfassen. So kann gewährleistet werden, dass ein gleichmäßiger Ausbau vom Ballungs- in den ländlichen Raum hinein erfolgt. Fertiggestellte Teile des Zugangsnetzes werden an Telekommunikationsunternehmen vermietet und werfen so sofort Gewinn ab, der wiederum für weitere Investitionen zu verwenden ist.
Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit der Errichtung eines Glasfasernetzes ist es nicht akzeptabel, wenn nach wie vor Neubauten mit einer Kupferverkabelung versehen werden. Ab einem zu bestimmenden Zeitpunkt müssen Hausanschlüsse in neu errichteten Wohn- und Geschäftsräumen ausschließlich als Glasfaser ausgeführt werden. So wird der Ausbau von der Nutzerseite her komplettiert.
4. Zusammenfassung
Die Notwendigkeit des Ausbaus eines flächendeckenden Glasfaserzugangsnetzes ist unumstritten und volkswirtschaftlich ohne Alternative. Alle bisherigen Wege, dieses Ziel zu erreichen (Marktvertrauen, öffentliche Förderung, regulatorische Maßnahmen) haben sich als unzureichend erwiesen. Nötig ist eine konsequente Umkehr und das Suchen neuer Wege. Der erfolgversprechendste Ansatz ist aus unserer Sicht die Einrichtung einer Breitband AG, die das Netz plant, baut und betreibt. Die Kosten des Ausbaus sind enorm und müssen daher über einen längeren Zeitraum gestreckt werden. Es ist Aufgabe der Politik, entsprechend erforderliche Finanzierungsoptionen zu prüfen und umzusetzen. Dies beinhaltet unter Umständen auch zunächst unpopuläre Entscheidungen, die sich nach Überzeugung des Bundesverbandes Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- e. V. letztlich als richtig erweisen werden.
Es kommt nicht darauf an, etwas zu wollen. Man muss es auch tun!
Mai 2015
(1) Jahresbericht BNetzA 2014, Seite 77
weiterführende Informationen:
Positionspapier als PDF-Download