Diskussion: Privatisierung der TK-Wirtschaft

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Re: Diskussion: Privatisierung der TK-Wirtschaft

Beitragvon bkt » 02.03.2012 12:12

Die Diskussion läuft hier leicht aus dem Ruder und hat deswegen schon prima die Richtung verloren.

Der Kern ist doch, dass der Staat die Daseinsvorsorge garantieren muss/soll.

1. Die Definition darüber, was alles Daseinsvorsorge ist, ist aktuell unvollständig bzw. unzureichend gesetzlich abgebildet. Dabei sind Infrastrukturleistungen (Strassenbau, Wasser/Abwasser-Netze, E-Leitungsnetze, Kommunikationsnetze) und Dienstleistungen (ÖPNV, Wasserwerke, Stromerzeuger, Internetprovider) strikt zu trennen. Kein Unternehmen darf gleichzeitig in beiden Sparten tätig sein.

2. Die Realisierung dieser Leistungen kann bzw. sollte im Wettbewerb, jedoch unter straffen regulatorischen Rahmenbedingungen (z.B. Universaldienst) erfolgen, die nicht nur bestimmte Dinge verbieten, sondern eher bestimmte Dinge beauflagen. Dazu gehört, dass in diesen Fragen dringend eine Abkehr vom Föderalen System erforderlich ist, da dies ein Einfallstor für Rosinenpickerei ist. Wer z.B. Berlin oder Hamburg versorgt sitzt mitten in der Torte, während der in MVP oder Saarland die Trockene Brotkruste knabbern darf. Dies muss im Sinne der Verbraucher und der Anbieter ausgeglichen werden (Solidarprinzip)

3. Es wird ein bundesweit einheitliches Preismodell durch den Regulierer vorgegeben (und jährlich überprüft ggf. korrigiert), von dem weder nach oben noch nach unten abgewichen werden darf. Daraus erzielte Überschüsse fliessen in einen Bundesfond, aus dem die Verluste in anderen Regionen ausgeglichen werden.

4. Bewerben darf sich jedes private (z.B. TELEKOM) oder staatliche (z.B.Stadtwerke) Unternehmen.

5. Findet sich kein privates Unternehmen, so MUSS der Staat diese Leistung durch eigenen Unternehmen selbst erbringen.

Vorgenannte Punkte gelten ausschliesslich für die Aufgaben der Daseinsvorsorge.
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Re: Diskussion: Privatisierung der TK-Wirtschaft

Beitragvon spokesman » 02.03.2012 14:02

im groben sind deine Punkte Wiederholungen unserer Forderung.

hier ein Auszug aus dem TKG Stand 2004:

TKG04 hat geschrieben:§ 81 Auferlegung von Universaldienstverpflichtungen
(1) Die Bundesnetzagentur veröffentlicht die Feststellung, auf welchem sachlich und räumlich relevanten Markt oder an welchem Ort eine Universaldienstleistung nach § 78 Abs. 2 nicht angemessen oder ausreichend erbracht wird oder zu besorgen ist, dass eine solche Versorgung nicht gewährleistet sein wird. Sie kündigt an, nach den Vorschriften der §§ 81 bis 87 vorzugehen, sofern sich kein Unternehmen innerhalb von einem Monat nach Bekanntgabe dieser Veröffentlichung bereit erklärt, diese Universaldienstleistung ohne Ausgleich nach § 82 zu erbringen.

(2) Die Bundesnetzagentur kann nach Anhörung der in Betracht kommenden Unternehmen entscheiden, ob und inwieweit sie eines oder mehrere dieser Unternehmen verpflichten will, die Universaldienstleistung zu erbringen. Eine solche Verpflichtung darf die verpflichteten Unternehmen im Verhältnis zu den anderen Unternehmen nicht unbillig benachteiligen.

(3) Macht ein Unternehmen, das nach Absatz 2 zur Erbringung einer Universaldienstleistung verpflichtet werden soll, glaubhaft, dass es im Falle der Verpflichtung einen Ausgleich nach § 82 verlangen kann, schreibt die Bundesnetzagentur anstelle der Entscheidung, einen oder mehrere Unternehmen zu verpflichten, die Universaldienstleistung aus und vergibt sie an denjenigen Bewerber, der sich als geeignet erweist und den geringsten finanziellen Ausgleich dafür verlangt, die Universaldienstleistung nach Maßgabe der in den Vorschriften dieses Gesetzes festgelegten Bedingungen zu erbringen. Die Bundesnetzagentur kann unter Berücksichtigung der Kriterien des Satzes 1 verschiedene Unternehmen oder Unternehmensgruppen für die Erbringung verschiedener Bestandteile des Universaldienstes sowie zur Versorgung verschiedener Teile des Bundesgebietes verpflichten.

(4) Vor der Ausschreibung der Universaldienstleistung hat die Bundesnetzagentur festzulegen, nach welchen Kriterien die erforderliche Eignung des Universaldienstleisters bewertet wird. Sie hat ferner die Regeln für die Durchführung des Ausschreibungsverfahrens im Einzelnen festzulegen; diese müssen objektiv, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei sein.

(5) Wird durch das Ausschreibungsverfahren kein geeigneter Bewerber ermittelt, verpflichtet die Bundesnetzagentur das nach Absatz 2 ermittelte Unternehmen, die Universaldienstleistung nach Maßgabe dieses Gesetzes zu erbringen.


1. Unterversorgung feststellen durch die BNetzA, falls diese besteht wird dieses bekannt gemacht. Wenn nach einem Monat kein Anbieter freiwillig baut tritt §82 in Kraft. Im §82 wird beschrieben wie der Ausgleich für die Erbringung einer Universaldienstleistung anzuwenden ist.

2. Die BNetzA kann nach der Anhörung nun ein oder mehrere Unternehmen zum Ausbau verpflichten, diese dürfen jedoch nicht ohne "Ausgleich" anderen Unternehmen benachteiligt werden.

3. Wenn das Unternehmen darlegt, dass eine Benachteiiligung eintreten würde, so müsste ein Ausgleich gezahlt werden (geregelt in §82). Hier erfolgt jedoch eine Ausschreibung, welche je nach finanzieller und technischer Machart beschieden wird. Für die Erbringung des Universaldienstes, also der Schaffung einer Versorgung mit den festgelegten Parametern kann die BNetzA verschiedene Unternehmen/gruppen für die unterschiedlichsten Regionen festlegen oder aber für das gesamte Bundesgebiet.

4. Vor der Ausschreibung muss die BNetzA Kriterien für den Universaldienst bekannt geben und darzulegen wie sie diese bewertet. Ferner muss sie aufzeigen wie die Ausschreibungskriterien im Einzelnen zu verstehen sind - objektiv, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei sind hier die Grundsätze.

5. Meldet sich kein Unternehmen auf die Ausschreibung, so tritt die Verpflichtung an das in 2. genannte Unternehmen ein - ein Ausgleich muss hierbei gezahlt erbracht werden.

Man kann also sagen, dass derzeit für alle unterversorgten Regionen ein Prüfungsprozess angestoßen werden würde. Sollten die Unternehmen nicht freiwillig bauen wird ausgeschrieben. Meldet sich für die eine oder andere Ausschreibung beginnt die Verpflichtung.

Kosten die nicht vom verpflichtenden Unternehmen getragen werden können und somit mit einem Ausgleich bezuschusst werden müssen werden wie in §83 beschrieben gestemmt:
§ 83 Universaldienstleistungsabgabe
(1) Gewährt die Bundesnetzagentur einen Ausgleich nach § 82 für die Erbringung einer Universaldienstleistung, trägt jedes Unternehmen, das zur Erbringung des Universaldienstes nach § 80 verpflichtet ist, zu diesem Ausgleich durch eine Universaldienstleistungsabgabe bei. Der Anteil bemisst sich nach dem Verhältnis des Umsatzes des jeweiligen Unternehmens zu der Summe des Umsatzes aller auf dem sachlich relevanten Markt nach Satz 1 Verpflichteten. Kann von einem abgabenpflichtigen Unternehmen die auf ihn entfallende Abgabe nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen Verpflichteten nach dem Verhältnis ihrer Anteile zueinander zu leisten.

(2) Nach Ablauf des Kalenderjahres, für das ein Ausgleich nach § 82 Abs. 1 oder 3 gewährt wird, setzt die Bundesnetzagentur die Höhe des Ausgleichs sowie die Anteile der zu diesem Ausgleich beitragenden Unternehmen fest und teilt dies den betroffenen Unternehmen mit. Die Höhe des Ausgleichs ergibt sich aus dem von der Bundesnetzagentur errechneten Ausgleichsbetrag zuzüglich einer marktüblichen Verzinsung. Die Verzinsung beginnt mit dem Tag, der dem Ablauf des in Satz 1 genannten Kalenderjahres folgt.

(3) Die zum Ausgleich nach Absatz 1 beitragenden Unternehmen sind verpflichtet, die von der Bundesnetzagentur festgesetzten auf sie entfallenden Anteile innerhalb eines Monats ab Zugang des Festsetzungsbescheides an die Bundesnetzagentur zu entrichten.

(4) Ist ein zum Ausgleich verpflichtetes Unternehmen mit der Zahlung der Abgabe mehr als drei Monate im Rückstand, erlässt die Bundesnetzagentur einen Feststellungsbescheid über die rückständigen Beträge der Abgabe und betreibt die Einziehung.


In wie weit man nach dem aktuellen TKG bzw. TKG04 als Bund selbst ein Unternehmen gründen kann und damit die Universaldienstleistung sicher stellt ist mir leider nicht bekannt. Grundsätzlich wäre dies aber möglich, alles eine Frage des Willens..
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Re: Diskussion: Privatisierung der TK-Wirtschaft

Beitragvon bkt » 02.03.2012 15:01

spokesman hat geschrieben:im groben sind deine Punkte Wiederholungen unserer Forderung.

Nur habe ich sie weiter gefasst, da es keinen SInn macht für jede Sorte Infrastruktur oder Dienstleistung aus dem Bereich der Daseinsvorsorge extra Spielregeln zu erfinden.

Auch kann man so besser mögliche Synergien zusammenfügen (viele Stadtwerke sind dafür schon ein gutes Beispiel).

Wir erleben nicht zuletzt durch die aktuelle Krise die Ohnmacht leistungsunfähiger Kommunen, ihrem Auftrag zur Daseinsvorsorge gerecht zu werden, da das gesamte derzeitige Wirtschaftssystem über seine Lobbyverbände mit "teile (den Markt auf) und herrsche (über die Gewinne)" wunderbar dafür gesorgt hat, dass der Öffentlichen Hand der ganze unrentierliche Müll vor die Füße gekippt wird, während die lukrativen Schnäppchen von der freien Wirtschaft abgegriffen werden.
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Re: Diskussion: Privatisierung der TK-Wirtschaft

Beitragvon spokesman » 02.03.2012 16:03

bkt hat geschrieben:da es keinen SInn macht für jede Sorte Infrastruktur oder Dienstleistung aus dem Bereich der Daseinsvorsorge extra Spielregeln zu erfinden.

so denke ich auch, jedoch sieht die Situation völlig anders aus. Der Bereich der Telekommunikation scheint hierbei noch fest auf der Bundesebene zu hängen, zumindest was den Versorgungsauftrag und die Überprüfung dessen betrifft. Im Energiebereich sieht dies schon etwas anders aus, Straßen ebenso.

bkt hat geschrieben:Auch kann man so besser mögliche Synergien zusammenfügen (viele Stadtwerke sind dafür schon ein gutes Beispiel).

hier auch wieder meine Zustimmung. Wenn man jegliche Infrastruktur unter einem Dach hat lässt sich somit eine viel bessere Koordination etablieren, dies kommt nicht nur dem Geldsäckle zu Gute, nein auch die Umwelt wird es uns danken. Wenn man in derartigen Fällen noch eine passende Schnittstelle zwischen Bürgern, Städteplanern und den Infrastrukturinhaber (Stadtwerke) finden würde, wären wir sicher schon einen großen Schritt weiter.

bkt hat geschrieben:Wir erleben nicht zuletzt durch die aktuelle Krise die Ohnmacht leistungsunfähiger Kommunen, ihrem Auftrag zur Daseinsvorsorge gerecht zu werden, da das gesamte derzeitige Wirtschaftssystem über seine Lobbyverbände mit "teile (den Markt auf) und herrsche (über die Gewinne)" wunderbar dafür gesorgt hat, dass der Öffentlichen Hand der ganze unrentierliche Müll vor die Füße gekippt wird, während die lukrativen Schnäppchen von der freien Wirtschaft abgegriffen werden.
es resultiert völlig zurecht die Frage nach einem Kurswechsel. Während die Differenz zwischen den Verdienstebenen bei Stadtwerken bzw. Behörden noch nachvollziehbar ist, scheint sie bei der Telekom und Co. exponentiell anzusteigen. Durch die Vergabe von Aufträgen an Subunternehmen/Leih-/Zeitarbeiter verschafft man sich hier ein weißes Kleid und schiebt Verantwortung ab. Die Lobby hat auch hier wieder volle Erfolge zu verzeichnen. So ist das Wirtschaftssystem mit den Konzernen und den Lobbyverbänden nicht nur Herrscher über die die Gewinne sondern auch Herrscher über die Menschen. Geld zieht heute Menschen in andere Regionen, der Arbeit hinterher ziehen, flexibel bleiben, du musst wettbewerbsfähig sein, so sprachen die Arbeitsberater bei mir schon in der Schule auf und das ist auch schon einige Jährchen her. Nun sind viele in starke Wirtschaftsregionen gezogen, andere Pendeln nun in diese um die anfallende Arbeit zu erledigen - viele ziehen dann nach einigen Jahren und Monaten verbrachter Zeit auf der Autobahn oder in der DB in die tollen Wirtschaftsregionen.

Für die Kommunen ergeben sich hierdurch enorme Probleme, hierbei ist nicht nur die Sicherstellung der Feuerwehreinsatzbereitschaft zwischen den Wochenenden gemeint. Ich denke auch wegen der eben beschriebenen Entwicklung ändert sich die Risikobewertung der großen TK Unternehmen - ein hausgemachtes Problem aus meiner Sicht ein hausgemachtes Problem, welches ich in meiner Gemeinde nur zu gut kenne. Im Speckrand von Erfurt, Dresden oder Berlin mag sich die Situation entspannter darstellen, oft muss man nur 50, 60 oder 70km weiter schauen und man trifft auf genau diese Probleme und hier haben die derzeitigen System bisher eine (wirkungsvolle und positive) Antwort vermissen lassen. Angesprochen ist hier jede politische Kraft, welche die Parlamente seit Jahren dominieren.
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Re: c´t 6/2012 - FTTH

Beitragvon governet » 04.03.2012 00:50

Stellen wir doch die Frage mal anders herum?
geisi hat geschrieben:Willkommen im Sozialismus. :twisted: Wo ist die Grenze?

Wo ist die Grenze des (Neo)Liberalismus, der Freien Marktwirtschaft?

Im Grunde ist es zwar OT:
Die Weisssagung der Cree ist war zwar anderslautend und wurde umgedeutet, aber ich denke der umgedeutete Satz sagt genau das aus, was falsch läuft!!!
http://de.wikipedia.org/wiki/Weissagung_der_Cree hat geschrieben:„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

Denken wir dabei noch an die Hochtechnologisierung unserer Bevölkerung in der EU und die Missachtung unserer Standards in 3. Welt-Länder (von der wir voll profitieren) dann stelle ich dir die Frage dazu: Und was saget deine Partei dazu?
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