Netzpolitik in den Koalitionsverhandlungen

Neuigkeiten zum Thema Telekommunikation und Breitband

Netzpolitik in den Koalitionsverhandlungen

Beitragvon bru62 » 24.11.2013 14:15

Was wurde nicht alles im Vorfeld versprochen und was bleibt von Allem übrig? In einem von der Partei Die Linke veröffentlichten Entwurf einer "digitalen Agenda" ist nachzulesen, was tatsächlich zu erwarten ist. Und das ist nicht viel.

So wird aus der oft zitierten "flächendeckenden Versorgung mit 50 Mbit/s" ein reines Lippenbekenntnis:
digitale Agenda hat geschrieben:Bundesweit sollen bis zum Jahr 2018 flächendeckend Internetzugänge mit 50 Mbit/s verfügbar sein.

Auch hinsichtlich der Netzneutralität gibt es nicht so viel Neues:
Die Gewährleistung von Netzneutralität wird als eines der Regulierungsziele im Telekommunikationsgesetz verbindlich verankert werden.
Nun ja. Was folgt daraus aber? Wie wird es ausgestaltet? Positiv ist anzumerken, dass Deep- Packet Inspection gesetzlich untersagt werden soll. Das Mobilfunkunternehmer VoIP gegen Entgelt anbieten können, ist m. E. schon ein anerkannter Bruch der Netzneutralität.
Positiv ist weiterhin zu sehen, dass die Verbreitung von öffentlichen WLAN gefördert werden soll. Allerdings ist offen, ob die dazu erforderliche Rechtssicherheit hinsichtlich der Störerhaftung tatsächlich geschaffen wird.

Weiter gibt es eine Reihe von Vorschlägen, wie Medienkompetenz und eGoverment usw. gefördert werde sollen. Das meiste allerdings steht unter Finanzierungsvorbehalt. Man wird sehen, was am Ende von der Agenda umgesetzt wird.

Gruß
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bru62
ehemals 2. Vorsitzender des Bundesverbandes Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- e. V.

Diskriminierungsfreies "Breitband für alle" wird es nur geben, wenn Menschen sich dafür engagieren.
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Re: Netzpolitik in den Koalitionsverhandlungen

Beitragvon News » 24.11.2013 14:17

Der BITKOM hat schon mal zur Agenda Stellung genommen. In einer Pressemitteilung vom 24.11.2013 heißt es:

BITKOM zu den Koalitionsverhandlungen

- Von Breitband bis Industrie 4.0: zahlreiche positive Vorschläge
- Ausweitung der Provider-Haftung lehnt die ITK-Branche ab

Der Hightech-Verband BITKOM begrüßt das bei den Koalitionsverhandlungen ausgearbeitete netzpolitische Programm für die nächste Legislaturperiode. „Zum ersten Mal hat bei der Regierungsbildung eine spezielle Arbeitsgruppe Vorschläge für die digitale Wirtschaft gemacht. Die Ergebnisse können sich sehen lassen“, sagte BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf. Zusätzlich befassten sich nahezu alle weiteren Verhandlungsgruppen mit Internetthemen. „In den abschließenden Beratungen sollten die Forderungen der Netzpolitiker in den Koalitionsvertrag übernommen und die Finanzierung zentraler Vorhaben gewährleistet werden“, betonte Kempf. Wichtige Maßnahmen wie die zusätzlichen Mittel für den Breitbandausbau, die steuerliche Forschungsförderung oder mobile Endgeräte für Schüler stehen noch unter Finanzierungsvorbehalt. Nachbesserungsbedarf sieht der BITKOM bei der Ausgestaltung der Netzneutralität und der Provider-Haftung.

Kritisch sieht der BITKOM vor allem eine stärkere Haftung für Zugangs- und Host-Provider, die im Internet fremde Inhalte speichern und zum Abruf bereitstellen. Damit will die neue Bundesregierung gegen die illegale Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke wie Musik, Filme oder E-Books vorgehen. „Was zunächst sinnvoll erscheint, kann sich schnell zu einer Zensurmaschine auswachsen“, warnte Kempf. Host-Provider, zu denen auch soziale Netzwerke gehören, müssten sämtliche auf ihren Servern gespeicherte Daten nach illegalen Inhalten durchsuchen. „Die Provider dürfen nicht zu Hilfspolizisten der Vollzugsbehörden gemacht werden“, sagte Kempf. Aus Sicht des BITKOM bietet das bestehende Recht, unter anderem mit der E-Commerce-Richtlinie, ausreichend Möglichkeiten, dem Problem zu begegnen. Notwendig sei vor allem eine stärkere internationale Zusammenarbeit, da viele Host-Provider ihren Sitz im Ausland haben.

Im Zusammenhang mit dem Erhalt der Netzneutralität bekennen sich die Netzbetreiber ausdrücklich zum „Best-Effort-Prinzip“: Daten und Dienste werden schnellstmöglich und im Rahmen der verfügbaren Ressourcen diskriminierungsfrei übertragen. Zusätzlich sind aus BITKOM-Sicht gesicherte Qualitätsklassen notwendig, um die Güte neuer Internetdienste zu garantieren. Anbieter von Online-Inhalten und Endkunden müssen zu vernünftigen Preisen garantierte und über „Best Effort“ liegende Netzdienste einkaufen können. So profitieren Online-Videos von garantierten Bandbreiten, Online-Games von geringen Reaktionszeiten oder Videotelefonie von stabilen Verbindungen. Solche garantierten Leistungen sind derzeit nur über vergleichsweise hochpreisige Standleitungen am Markt verfügbar.

Ausdrücklich begrüßt der BITKOM folgende Pläne aus den aktuellen Koalitionsvereinbarungen:

- Industrie 4.0 wird ein zentrales Zukunftsprojekt der nächsten Bundesregierung. Deutschland als Exportnation mit einer starken Industrie und einer innovativen ITK-Branche hat beste Voraussetzungen, bei der Digitalisierung der klassischen Fertigung international eine führende Rolle einzunehmen.
- Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung für mittelständische Unternehmen. Anders als spezielle Förderprogramme, die weiterhin flankierend benötigt werden, funktioniert die steuerliche Forschungsförderung weitgehend unbürokratisch, was vor allem kleineren Unternehmen zu Gute kommt. Bewährt sich das Instrument, sollte es ausgeweitet werden.
- Beschleunigung des Breitbandausbaus. Für den weiteren Ausbau vor allem in ländlichen Gebieten soll 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt werden.
- Das Ziel, jedem Schüler ein mobiles Endgerät zur Verfügung zu stellen. Der regelmäßige Einsatz von Computer und Internet im Unterricht ist heute immer noch eine Ausnahme in deutschen Schulen. Dank eines solchen Bundesprogramms können Anbieter von Unterrichtsmaterialien wie etwa Schulbuchverlage endlich planen und entsprechendes digitales Lehrmaterial erstellen und anbieten. Zusätzlich müssen die Lehrer geschult werden.
- Die umfassende Unterstützung von Start-ups. Deutschland soll attraktiver für internationales Wagniskapital werden. Dafür soll ein eigenes Venture-Capital-Gesetz erlassen werden. Weitere Maßnahmen sind die Verbesserung von Investitionszuschüssen und die Fortführung des High-Tech-Gründerfonds. Eine staatlich geförderte Gründungszeit und ein neues Gründungsdarlehen sollen den Weg in die Selbstständigkeit erleichtern.

Zugleich warnt der BITKOM davor, Veräußerungsgewinne aus Streubesitz zu besteuern. Dies würde privat engagierte Business Angels und andere Wagniskapitalgeber treffen, die sich ihr Engagement in Start-ups vor allem durch den Gewinn aus einer Veräußerung ihrer Anteile vergüten lassen. Die ohnehin schwierige Finanzierungssituation für die deutsche Gründerszene würde sich dadurch weiter verschlechtern.
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Re: Netzpolitik in den Koalitionsverhandlungen

Beitragvon News » 01.12.2013 12:47

Der BITKOM hat die Aussagen des Koalitionsvertrags zur Netzpolitik kritisiert, wie aus der Pressemitteilung vom 27.11.2013 hervor geht:

Koalitionsvertrag bleibt in der Digitalpolitik hinter den Erwartungen zurück

- Digitale Agenda für die Jahre 2014 bis 2017 angekündigt
- Viele zukunftsweisende Vorschläge wurden nicht aufgegriffen

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist in der Digitalpolitik aus Sicht des Hightech-Verbands BITKOM hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben. „Der Koalitionsvertrag ist für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft nicht der große Wurf“, sagte BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf. „In den vorbereitenden Fachgruppen sind viele zukunftsweisende Vorschläge gemacht worden, die es allzu oft aber nicht in den Koalitionsvertrag geschafft haben.“ Dazu zählen die steuerliche Forschungsförderung für Mittelständler, ein Maßnahmenpaket für den Breitbandausbau, die Einrichtung eines Internet-Ausschusses im Bundestag oder das Vorhaben, alle Schülerinnen und Schüler mit einem mobilen Computer auszustatten. Kritisch sieht der BITKOM unter anderem eine stärkere Haftung für Zugangs- und Host-Provider, eine Hinterlegungspflicht für strittige urheberrechtliche Abgaben, eine mögliche Besteuerung von Veräußerungsgewinnen auf Streubesitz und ein gesetzliches Rückgaberecht für Apps.

Positiv bewertet der BITKOM, dass die Weiterentwicklung des produzierenden Gewerbes zur „Industrie 4.0“ ein zentrales Zukunftsprojekt der neuen Bundesregierung wird. Zudem sollen Gründer stärker gefördert werden. Damit Deutschland attraktiver für internationales Wagniskapital wird, soll ein eigenes Venture-Capital-Gesetz erlassen werden. Ein mit öffentlichen Mitteln finanziertes Internet-Institut soll sich mit allen Aspekten des Internets beschäftigen. Daneben haben die Koalitionsparteien eine ressortübergreifende Strategie mit dem Titel „Digitale Agenda 2014-2017“ angekündigt. Kempf: „Die neue Bundesregierung hat die Bedeutung der digitalen Wirtschaft für Deutschland zwar erkannt, stellt dafür aber nicht die notwendigen Mittel bereit. Hier muss schnellstmöglich nachgebessert werden.“

Der BITKOM bekräftigte seine Forderung nach Einrichtung eines ständigen Bundestagsausschusses „Internet und digitale Gesellschaft“. Kempf: „Der Bundestag braucht ein Forum, in dem aktuelle und strategische Themen der Netzpolitik diskutiert und vorangetrieben werden können.“ Ein vollwertiger und ständiger Bundestagsausschuss sei dafür die geeignete Plattform.
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Re: Netzpolitik in den Koalitionsverhandlungen

Beitragvon News » 08.12.2013 15:25

Auch der BUGLAS hat sich mit einer Pressemitteilung vom 29.11.2013 zum Koalitionsvertrag geäußert:

Koalitionsvertrag mit Licht und Schatten

Der Bundesverband Glasfaseranschluss sieht Licht und Schatten im vorgestern veröffentlichten Koalitionsvertrag. Die künftige Koalition hatte sich in Bezug auf die weitere Infrastruktur- und Netzpolitik unter anderem auf folgende Punkte geeinigt: Sie hat das Ziel, Deutschland bis 2018 flächendeckend mit Datenübertragungsraten von 50 Mbit pro Sekunde zu versorgen, bekräftigt. Unterstützt werden soll das über längere Vertragslaufzeiten zwischen Anbietern und Endkunden, durch ein neues Finanzierungsprogramm der KfW und durch Breitband-Bürgerfonds. Außerdem soll die Gewährleistung von Netzneutralität im Telekommunikationsgesetz verankert werden und dafür das "Best-Effort"-Prinzip bestehen bleiben. Mit dem Vertrag werden dem Breitbandausbau nach Ansicht des BUGLAS zwar keine neuen Steine in den Weg gelegt. Das wichtige Finanzierungsthema bleibe aber ungelöst.

Das zwischenzeitlich diskutierte eigene Förderprogramm des Bundes, das mit jährlich einer Milliarde Euro ausgestattet werden sollte, wird es allerdings nicht geben. "Die geplanten Finanzierungsvorhaben, an denen Kreditinstitute und Bürger mitbeteiligt sind, gehen grundsätzlich in die richtige Richtung", urteilt BUGLAS-Geschäftsführer Wolfgang Heer. "Die konkrete Praxistauglichkeit muss sich allerdings erst noch erweisen. Aus unserer Sicht unverständlich ist der Verzicht auf ein Breitband-Förderprogramm des Bundes, wenn gleichzeitig anspruchsvolle Breitbandziele formuliert werden. Wer teure Musik bestellt, sollte auch bereit sein, den einen oder anderen Euro selbst in die Jukebox zu stecken." Ein aus BUGLAS-Sicht weiteres gutes Mittel wäre dabei gewesen, die Kosten für den breitbandigen Hausanschluss in voller Höhe steuerlich absetzbar zu machen. Damit hätte man die Ausbaukosten auf mehrere Schultern verteilen und gleichzeitig den Anreiz für die Nutzung moderner Glasfaseranschlüsse erhöhen können.

Von zentraler Bedeutung für den Breitbandausbau bleibt aus Sicht des BUGLAS auch in der neuen Legislaturperiode ein vernünftiges ordnungspolitisches Konzept, das den Infrastrukturwettbewerb fördert. Der bisherige reine Preiswettbewerb zahle nicht auf das Ziel eines möglichst flächendeckenden Breitbandausbaus ein. "Der harte Preiswettbewerb in den vergangenen Jahren hat dazu geführt, dass wir in Deutschland bei den Verbraucherpreisen im EU-Vergleich auf den hinteren Plätzen liegen. Gleichzeitig haben wir jedoch mit die höchsten Ausbaukosten", so Heer. Diese gegenläufige Entwicklung machte hierzulande viele Ausbauprojekte heute ökonomisch unrentabel.

Positiv bewertet der BUGLAS den Verzicht der Koalitionäre auf einen zwischenzeitlich erneut diskutierten Breitband-Universaldienst. Dieser würde nach Auffassung des Glasfaserverbands die ohnehin knappen Ressourcen, insbesondere im Tiefbau, weiter verteuern und dauerhaft fehlleiten. Ebenfalls positiv beurteilt der Verband, dass die von der CSU geforderte Teilentlassung der Telekom aus der Regulierung keinen Eingang in den Vertrag gefunden hat. Eine solche würde den sich gut entwickelnden Infrastrukturwettbewerb in Deutschland auf einen Schlag abwürgen. "Für einen Einstieg in den Ausstieg aus der Regulierung besteht angesichts der Marktmacht des Incumbents weder heute noch in der absehbaren Zukunft ein wirklicher Anlass", sagt Heer abschließend.
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Re: Netzpolitik in den Koalitionsverhandlungen

Beitragvon bru62 » 08.12.2013 15:32

Auf ein interessantes und wie ich finde diskriminierendes Detail des Koalitionsvertrages hat das Portal 4g.de hingewiesen. Das berichtet das Portal crn.de am 28.11.2013. Demnach soll für Breitbandnutzer in den ländlichen Regionen die Mindestvertragsdauer auf bis zu 48 Monate steigen dürfen. Damit soll die Finanzierungssicherheit für die Provider verbessert werden. "Um mehr Investitionssicherheit für Netzbetreiber im ländlichen Raum zu schaffen, werden wir die rechtlichen Rahmenbedingungen für längerfristige Verträge der Netzbetreiber mit den Netznutzern zu Ausbau und Finanzierung der Breitbandinfrastruktur prüfen und gegebenenfalls Vertragslaufzeiten von 3 bis 4 Jahren im ländlichen Raum ermöglichen." So heißt es konkret im Koalitionsvertrag. Die digitale Spaltung schreitet voran!

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