Bundesrat TKG

Neuigkeiten zum Thema Telekommunikation und Breitband

Re: Bundesrat TKG

Beitragvon governet » 01.12.2011 12:52

Zu Protokoll gegebene Erklärung:
Erklärung von Ministerpräsident Kurt Beck (Rheinland-Pfalz) zu Punkt 20 der Tagesordnung

Die Novelle des Telekommunikationsgesetzes hat eine lange Vorgeschichte. Es hat auch auf Grund verschiedener Personalwechsel in der Führungsspitze des Bundeswirtschaftsministeriums lange gebraucht, bis der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form vorgelegt werden konnte.

Mit Blick auf zentrale und drängende Fragen im Bereich der Telekommunikation, auf die das Gesetz eine Antwort geben muss, wird es nun allerhöchste Zeit. Gewünscht hätte ich mir dies bereits im Frühjahr dieses Jahres.

Das Gesetz hat zentrale Bedeutung für die künftige Breitbandinfrastruktur und die Rechtssicherheit der Unternehmen, um die notwendigen Investitionen in den weiteren Hochgeschwindigkeitsausbau der Netze vornehmen zu können. Um hier die richtigen Investitionsanreize in einem Wettbewerbsumfeld zu geben, sind mit dem TKG sicherlich einige gute Weichenstellungen gelungen.

Allerdings benötigt Deutschland diese Hochgeschwindigkeitsnetze nicht nur in den Ballungsräumen, in denen Wettbewerb und Innovationskraft der
Branche den Ausbau vorantreiben. Deutschland benötigt die schnellen Netze auch dort, wo die Marktkräfte versagen, Investitionen unterbleiben und ein privatwirtschaftlicher Netzausbau nicht rentabel wäre. Für die Regionen des ländlichen Raumes fragt man sich, ob die vorgelegten Gesetzesregelungen ausreichend sind, um milliardenschwere Investitionen in neue Netzinfrastrukturen flächendeckend – nicht nur in den Ballungszentren – zu realisieren. Ich glaube nicht, dass das der Fall ist.

Leider ist es der Bundesregierung bislang weder im Gesetzgebungsprozess noch konzeptionell in ihrer Breitbandstrategie gelungen, eine Antwort auf die Frage zu finden, wer die notwendigen Investitionen in Breitbandhochgeschwindigkeitsnetze finanzieren soll. Einerseits ist es den Unternehmen nicht zuzumuten, Investitionen zu tätigen, die defizitär sein werden. Andererseits entzieht die Bundesregierung dem Markt etliche Milliarden Euro an Frequenzversteigerungseinnahmen, führt diese dem allgemeinen Haushalt zu und gibt quasi nichts an den Markt zurück, damit die schnellen Netze eben auch flächendeckend errichtet werden können. Dies sollten wir, die Vertreter der Länder, nicht länger hinnehmen und uns für die Belange aller Regionen, auch für die
Bevölkerung im ländlichen Raum, und somit für eine ganzheitliche Informationsgesellschaft einsetzen.

Der Gesetzesbeschluss berührt nicht zuletzt weitreichende Fragen des Verbraucherschutzes im digitalen Zeitalter. Er enthält vor diesem Hintergrund durchaus wichtige Regelungen, die Antworten auf die Sorgen und Nöte der Menschen als Verbraucher geben sollen. Zu nennen sind hier etwa verbraucherrechtliche Verbesserungen bei den Warteschleifen, Anbieterwechsel und Vertragslaufzeiten wie auch bei der Transparenz und Information über Gebühren der Telekommunikationsanbieter. Dies alles sind Schritte in die richtige Richtung, die wir in der Umsetzung auch künftig kritisch begleiten sollten.

Im Folgenden möchte ich mich insbesondere auf die medien- bzw. rundfunkrechtlichen Aspekte, die von den Ländern verschiedentlich im Vorfeld bereits diskutiert wurden, konzentrieren:

Die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes zeigt, dass im Zuge der Konvergenz die Abgrenzung zwischen Medien- und Telekommunikationsrecht zunehmend schwierig wird. In der Vergangenheit konnte verhältnismäßig leicht zwischen der Verbreitung von Rundfunkinhalten und ihren technischen Voraussetzungen unterschieden werden, was unter anderem in der „dienenden Funktion“ der Frequenzverwaltung gegenüber dem Rundfunk zum Ausdruck kam. Dagegen sind heutzutage Überwirkungen der Frequenzverwaltung und der Telekommunikation auf den Rundfunk häufiger geworden. Dies gilt auch und vor allem, was die digitale Verbreitung von Rundfunksignalen angeht: Die Sicherung der besonders hohen Qualität und Stabilität des Rundfunkempfangs ist mit technischen Voraussetzungen verbunden und deswegen Aufgabe der Telekommunikation. Gleichzeitig sind die technischen Voraussetzungen auch für das Ob und das Wie der Verbreitung von Rundfunkinhalten maßgeblich. Das führt dazu, dass der Bund bei von ihm zu verantwortenden Frequenzplanungsverfahren die Belange des Rundfunks zu berücksichtigen hat.

Denn auch in der konvergenten Medienwelt ist der Rundfunk nicht nur weiter Garant für die grundgesetzlich verankerte Meinungs- und Informationsfreiheit
sowie für den Medienpluralismus. Vielmehr sind es doch gerade die Rundfunkveranstalter, die als Inhalteanbieter neben anderen Vertretern der Kreativbranche wesentlich zur Attraktivität der Netze und Infrastrukturen und damit zu deren wirtschaftlichen Erfolg beitragen.

Europäische Perspektive

Auch auf der EU-Ebene sind Frequenzen als öffentliches Gut von hohem gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Wert anerkannt. Zwar kämpft die EU-Kommission im Binnenmarkt weiterhin für eine möglichst effiziente Verwaltung der Frequenzen im Sinne einer ökonomischen Wertschöpfung der Frequenzressourcen. Doch auch bei der Verabschiedung des sogenannten TK-Pakets, das mit der Novelle ins deutsche TKG umgesetzt wird, war ein rein ökonomischer Ansatz in Brüssel nicht durchsetzbar. So wurden – nicht zuletzt auf Betreiben der deutschen Länder – in der sogenannten Rahmenrichtlinie Beschränkungen für die Nutzung von Frequenzen und damit Ausnahmen von der Dienste- und Technologieneutralität vorgesehen. Hierzu gehört die Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt sowie des Medienpluralismus durch Rundfunkdienste. Die europäische Regelung bietet somit den erforderlichen Spielraum, Frequenzen weiterhin vorrangig dem Rundfunk zuzuweisen. Dieser Grundsatz muss nun auch im TKG wesentlich klarer zum Ausdruck kommen, zumal die Sicherung der Rundfunkübertragungswege auch verfassungsrechtlich determiniert ist.

Nationale Perspektive

Was wir derzeit erleben, ist jedoch das genaue Gegenteil: Vor allem die Auseinandersetzung um die Digitale Dividende bei der Versteigerung von Rundfunkfrequenzen an Mobilfunkanbieter sowie die damit verbundenen Folgekonflikte haben die unzulängliche Ausgestaltung des TKG zum Schutz des Rundfunks gezeigt. Weder die sogenannte Störproblematik noch die Frage der Entschädigungsleistungen für die Netzumstellung und die Nutzer drahtloser Produktionsmittel sind gelöst. Leider behandelt auch die aktuelle TKG-Novelle diese Fragen einzig untergeordnet und teils zu Lasten des Rundfunks. Stattdessen nimmt das TKG eine einseitige Kompetenzverschiebung zu Gunsten der Bundesnetzagentur vor und stellt die Entscheidung in Grundsatzfragen ins Ermessen der Verwaltung. Hier werden die Erfahrungen mit der Digitalen Dividende perpetuiert.

Zur TKG-Novelle allgemein

Ich bedauere es insofern sehr, dass der Deutsche Bundestag mit seinem Gesetzesbeschluss den medienpolitischen Änderungsvorschlägen in der Stellungnahme des Bundesrates ganz überwiegend nicht gefolgt ist. Deshalb bin ich nach wie vor der Auffassung, dass die rundfunkbezogenen Regelungen des Gesetzes der verfassungsrechtlichen Stellung der Länder nicht gerecht werden. Insbesondere die vorgesehenen neuen Ermessensspielräume für die Bundesnetzagentur berücksichtigen nicht hinreichend die Mitwirkungsrechte der Länder im Hinblick auf die Belange von Rundfunk und vergleichbaren Telemedien. Auch die vorgesehene Beschränkung der Mitwirkung des Bundesrates bei der Ausgestaltung der Frequenzordnung ist aus Ländersicht nicht hinnehmbar. Insgesamt erscheint das Gesetz sowohl hinsichtlich seines materiellen Gehalts als auch hinsichtlich seiner Umsetzung im Verfahren als viel zu unbestimmt, was an der sensiblen Schnittstelle zwischen Bundes- und Länderkompetenzen nicht akzeptabel ist. Davon ausgehend sehe ich hier erheblichen Nachbesserungsbedarf.

Erlauben Sie mir nun, die wichtigsten medienpolitischen Forderungen der Länder – wie sie bereits am 15. April 2011 einstimmig im Bundesrat beschlossen wurden – nochmals kurz darzustellen:

Einvernehmensherstellung statt Benehmensherstellung

Die im TKG vorgeschriebenen Benehmensherstellungen des Bundes mit den Ländern werden von der Bundesnetzagentur zunehmend als reine Anhörungserfordernisse interpretiert und vollzogen. Gerade die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Digitalen Dividende haben aber deutlich gemacht, dass die Regelungen zur Benehmensherstellung nicht ausreichen, um Vielfalts- und Rundfunkbelange zu wahren. Es ist deshalb erforderlich, sämtliche bestehenden und künftig vorgesehenen rundfunkbezogenen Regelungen zur Benehmensherstellung mit den zuständigen Landesbehörden durch eine Regelung zur Herstellung des Einvernehmens (Zustimmungserfordernis) zu ersetzen.

Das erforderliche Einvernehmen bezieht sich wie die bisherige Benehmensregelung auf die Sicherung der Belange des Rundfunks und darf auch nur zur Sicherung
dieser in Länderzuständigkeit liegenden Belange verweigert werden. Dies ist verfassungsrechtlich unproblematisch, da das sogenannte Verbot der Zischverwaltung auf der Ebene der materiell-rechtlichen Gesetzgebung (Rechtsverordnungen) ebenso wenig wie auf der Ebene von Verwaltungsvorschriften zum Tragen kommt. Im Übrigen ist für die Spezialmaterie der Frequenzplanung und -verwaltung ohnehin eine Durchbrechung dieses Grundsatzes anzunehmen. Andernfalls würde seine strikte Beachtung zu einer Verkürzung von Kompetenzen führen, die den Ländern kraft Verfassungsrechts zustehen.

Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates zur Frequenzverordnung

Höchst problematisch ist in diesem Zusammenhang auch die Neuregelung der Frequenzplanung (§§ 53 und 54 TKG). Hier fallen bestehende Mitwirkungsbefugnisse der Länder durch die Streichung des Frequenznutzungsplans und der entsprechenden Aufstellungsverordnung einer weitgehenden Ermächtigung der Bundesnetzagentur zum Opfer (§ 54 Absatz 1 TKG: „Frequenzplan“). Die Beteiligung der Länder im Frequenzplanungsverfahren beschränkt sich nur noch auf die „Zustimmung des Bundesrates“ zu Frequenzzuweisungen für den Rundfunk (§ 53 Absatz 1 TKG). Nicht erfasst ist hiervon der viel praxisrelevantere Fall der Zuweisung von (bisherigen) Rundfunkkapazitäten an Dritte (für andere Dienste).

Die Länder forderten deshalb eine Änderung des Entwurfs dahin gehend, dass die Rechtsverordnung zu Frequenzzuweisungen stets und nicht erst in dem Fall, in dem Frequenzen dem Rundfunk zugewiesen werden, der Zustimmung des Bundesrates bedarf. In der Frequenzverordnung kann der Bund die Frequenzzuweisungen für die BRD sowie weitere Festlegungen treffen. Durch das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates werden bei Entscheidungen, die Frequenzzuweisungen an den Rundfunk aufheben oder einschränken oder sonst Auswirkungen auf den Rundfunk haben können – etwa Festlegungen zur Sicherstellung der Störungsfreiheit –, berechtige Interessen der Länder von Anfang an gewahrt.

Vermeidung funktechnischer Störungen

Stichwort „Störungsfreiheit“: Die Relativierung der bisherigen TKG-Regelungen über die Störvermeidung erscheint nicht akzeptabel. Vielmehr sollte das TKG mit Blick auf die stetig steigenden Herausforderungen, eine störungsfreie Koexistenz der verschiedensten Funkdienste und Funkanwendungen zu gewährleisten, weitergehende Aussagen dazu treffen, wie bei der Frequenznutzung funktechnische Störungen zu vermeiden sind.

Deshalb ist die Sicherstellung einer effizienten und vor allem störungsfreien Nutzung von Frequenzen – auch unter Berücksichtigung der Belange des Rundfunks – nicht allein als Optimierungsgebot, sondern als bindender abwägungsfester Planungsleitsatz in das TKG einzufügen (neuer § 2 Absatz 2 Nummer 7 TKG). Hier geht es um die Sicherung der erforderlichen Übertragungsqualität. Zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit gehört nämlich auch die technische Verbreitung von Rundfunkinhalten in rundfunkadäquater Qualität. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, diesen grundrechtlichen Gewährleistungsauftrag legislativ verbindlich umzusetzen. Da jedoch ein solcher Planungsleitsatz bislang fehlt, besteht die Gefahr, dass die Gewährleistung von „Störungsfreiheit“ lediglich als ein Belang neben mehreren anderen angesehen wird.

Beteiligung an Versteigerungserlösen aus ehemaligen Rundfunkfrequenzen

Die Länder forderten weiter eine Ergänzung des Gesetzentwurfs (neuer § 61 Absatz 8 TKG), wonach für den Fall, dass dem Rundfunkdienst zugewiesene Frequenzbereiche im Einvernehmen mit den zuständigen Landesbehörden anderen Funkdiensten oder Funkanwendungen zugewiesen und anschließend versteigert werden, anfallende Versteigerungserlöse nach Abzug der umstellungsbedingten Kosten hälftig zwischen Bund und Ländern aufzuteilen sind. Die Verteilung innerhalb der Länder sollte sich dabei nach deren Einwohnerzahl richten. Dadurch wird der wirtschaftliche Vorteil aus der Umwidmung adäquat zwischen Bund und Ländern verteilt.

Nur zur Erinnerung: Der Bund hat durch die Versteigerung von ehemals durch den Rundfunk genutzten Frequenzen im Rahmen der Digitalen Dividende an den Mobilfunk rund 4,5 Milliarden Euro eingenommen. Die Länder hatten der Versteigerung dieser Rundfunkfrequenzen unter der Prämisse zugestimmt, dass der Bund die den Rundfunksendeunternehmen und den Betreibern drahtloser Mikrofonanlagen dadurch entstehenden Umstellungskosten in angemessener Weise erstattet. Dies hatte der Bund im Bundesrat im Sommer 2009 auch so zugesagt.

Bislang liegt seitens des Bundes allerdings nur ein inakzeptables, weil absolut unzureichendes Erstattungsangebot in Höhe von rund 130 Millionen Euro vor. Die Länder fordern hingegen ein angemessenes Erstattungsvolumen von insgesamt rund 700 Millionen Euro. Nach diesen negativen Erfahrungen sage ich sehr klar: Wir werden in Zukunft die Zustimmung zur Versteigerung von Rundfunkfrequenzen verweigern, wenn nicht ein bestimmter Anteil des Versteigerungserlöses unmittelbar an die Länder fließt.

Netzneutralität

Erlauben Sie mir abschließend noch einige Worte zum allgegenwärtigen Thema „Netzneutralität“! Ohne den Begriff ausdrücklich zu erwähnen, wurde das Prinzip der Netzneutralität ausweislich der Begründung als neues Regulierungsziel in das TKG aufgenommen (§ 2 Absatz 2 Nummer 1 Satz 2 TKG; siehe auch § 20 Absatz 1 und 3 TKG). Dies ist im Grundsatz zu begrüßen; denn die „Netzneutralität“ muss aktiv geschützt werden. Unter „Netzneutralität“ verstehe ich dabei die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Datenpakete im Internet, unabhängig von Inhalt, Herkunft oder Ziel, so dass die Datenpakete nicht einer providerseitigen Priorisierung entsprechend verlangsamt oder vollständig blockiert werden dürfen. Allerdings erscheint unklar, ob mit den vorgesehenen Formulierungen dieses Regulierungsziel hinreichend deutlich beschrieben ist, um Meinungsfreiheit und Pluralismus im Netz zu sichern.

Maßnahmen, die allein darauf abzielen, mehr Transparenz zu schaffen, sind zwar richtig und sinnvoll, reichen aber wegen der Unkontrollierbarkeit der Provider durch Dritte keineswegs aus. Es darf nicht geschehen, dass priorisierte Dienste das nach dem „Best-Effort-Prinzip“ funktionierende Internet schrittweise verdrängen oder einschränken und schließlich wenige Netzbetreiber Kontrolle darüber ausüben, welche Inhalte oder Diensteanbieter beim Endkunden ankommen.

Zur Gewährleistung von Netzneutralität bedarf es vielmehr verbindlicher gesetzlicher Vorgaben. Hierfür ist im TKG ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot für den Datentransport im Internet aufzunehmen. Ein hinreichender sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung im Datentransport im Internet kann beispielsweise Netzwerkmanagement sein, sofern es dem Ziel dient, die Funktionsfähigkeit und Stabilität der Netze zu sichern oder dafür zu sorgen, dass zeitkritische Dienste in der erforderlichen Qualität bei den Nutzern ankommen. Im Interesse von Meinungsfreiheit und Pluralismus darf hingegen eine inhaltliche Klassifizierung auf keinen Fall erfolgen.

Zweifellos kann eine entsprechende Infrastrukturregulierung des Bundes weitreichende Auswirkungen auf die im Zuständigkeitsbereich der Länder liegende Inhalteebene haben. Unter diesen Prämissen wären neben telekommunikationsrechtlichen Regelungen zur „Netzneutralität“ grundsätzlich auch noch weitere ergänzende Normen auf der Länderebene denkbar. Nicht nur in der Wissenschaft waren in jüngster Vergangenheit Ansätze zu sehen, die Probleme der „Netzneutralität“ mit altbewährten rundfunkrechtlichen Werkzeugen aus dem Bereich der Vielfaltsicherung – nämlich der sinngemäßen Anwendung von Must-carry-Regeln – lösen zu wollen. Auch die Landesmedienanstalten haben kürzlich interessanterweise darauf hingewiesen, dass Einschränkungen der „Netzneutralität“ den Anwendungsbereich der Plattformregulierung des Rundfunkstaatsvertrages öffnen könnten. Im TKG müssen diese Schnittstellen klar benannt und entsprechende Verfahren zur Abstimmung angelegt werden.

Sofern diesbezüglich zur näheren Ausgestaltung des Regulierungsziels „Netzneutralität“ Rechtsverordnungen des BMWi oder der Bundesnetzagentur möglich sind, ist es ein wichtiger Zwischenschritt, dass im TKG nunmehr vorgesehen ist, entsprechende Rechtsverordnungen – wie von den Ländern gefordert – nur mit der Zustimmung des Bundesrates zu erlassen (§ 41a TKG – Netzneutralität). Vorschriften des Bundes zur „Netzneutralität“ können, wie gesagt, stets auch Rundfunk und Telemedien betreffen, weshalb die Rechte der Länder gemäß der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung zu wahren sind. Unabhängig davon muss jedoch darüber hinaus zunächst das Grundprinzip, wonach der Transport von Rundfunk und Telemedien grundsätzlich diskriminierungsfrei zu erfolgen hat, im TKG selbst verankert werden.

Angesichts der Bedeutung der Materie sind Bund und Länder gut beraten, sich über die TKG-Novelle zu verständigen, um die unterschiedlichen Interessen und sich daraus ergebenden Nutzungskonflikte zum Ausgleich zu bringen und einvernehmliche Lösungen zu finden. Insofern haben mich die in weiten Teilen ablehnende Gegenäußerung der Bundesregierung zur Bundesratsstellungnahme sowie der entsprechende Gesetzesbeschluss des Bundestages leider sehr enttäuscht. Vor diesem Hintergrund halte ich die Anrufung des Vermittlungsausschusses – wie von den Bundesratsausschüssen empfohlen – für unausweichlich; denn in der vorgelegten Form ist dieses zustimmungsbedürftige Gesetz für die Länder weder rechtlich noch politisch akzeptabel.


Quelle: Plenarprotokoll
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Re: Bundesrat TKG

Beitragvon governet » 01.12.2011 13:02

Zu Protokoll gegebene Erklärung:
Erklärung von Staatsminister Michael Boddenberg (Hessen) zu Punkt 20 der Tagesordnung

Für Herrn Staatsminister Dieter Posch gebe ich folgende Erklärung zu Protokoll:

Das Land Hessen begrüßt es, dass die intensive Diskussion über die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes nun zu einem Abschluss kommen
wird, mit dem – auf der Basis der Vorgaben der EU im novellierten Telekommunikationspaket – die Weichen für die elektronische Kommunikation der Zukunft gestellt werden. Schwerpunkt ist hierbei die Herausforderung eines wettbewerbskonformen Breitbandausbaus.

Dieser Herausforderung begegnet das Gesetz mit
folgenden Instrumenten:

Eine Erhöhung der Planungssicherheit wird durch die Verlängerung der Marktanalysezyklen erreicht. Das nun implementierte Antragsrecht auf Auskunft ermöglicht für den Auf- und Ausbau von Netzen der nächsten Generation die Einholung gezielter Auskünfte über die zu erwartende Regulierung in einer bestimmten Region. Auch Regelungen wie die grundsätzliche Zulässigkeit des Hausstichs – die Verlegung von Glasfaserkabeln ohne Einwilligung des Eigentümers – leisten einen Beitrag zur Erhöhung der Planungssicherheit.

Eine faire Risikoteilung zwischen Investor und dem Nutzer wird bei Netzen der nächsten Generation nun in der Entgeltregulierung verankert, und zwar sowohl in der Vorab- als auch der nachträglichen Entgeltregulierung. Das Land Hessen erwartet, dass die sich hieraus ergebenden Chancen für die Telekommunikationsanbieter künftig im Sinne eines marktgetriebenen Breitbandausbaus genutzt werden können.

Im Laufe des Novellierungsverfahrens und mit zunehmenden Erfahrungen insbesondere im Hochgeschwindigkeitsbreitbandausbau wurde über die Bedeutung der gemeinsamen Nutzung von Infrastrukturen intensiv diskutiert und die Möglichkeit hierfür entsprechend verstärkt. Der Bundesrat hatte diesbezüglich Überlegungen für ein Infrastrukturgesetz angeregt, um auch für Breitband geeignete Infrastrukturen außerhalb der Telekommunikationsinfrastruktur nutzbar zu machen.

In diesem Sinne enthält das vorliegende Gesetz einige zielführende Änderungen, etwa die Anordnungsermächtigung der Bundesnetzagentur für gemeinsame Nutzung von Inhouse-Infrastrukturen wie Verkabelungen und Kabelkanälen, die Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots für die Mitnutzung alternativer Infrastrukturen und die grundsätzliche Gestattung der Mitnutzung geeigneter Bundesinfrastrukturen, beispielsweise Bundesfernstraßen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass Hessen bereits jetzt im Rahmen des Landesstraßenbaus 74 Projekte mit Landesbeteiligung gestartet hat, die einen Ausbau mit Leerrohren über 81 km ermöglichen; sechs dieser Projekte sind abgeschlossen.

Das Land Hessen begrüßt es insbesondere, dass die TKG-Novelle ausgewogen ist und dass Änderungen mit Augenmaß vorgenommen wurden. Die grundlegende Regulierungssystematik im Telekommunikationsmarkt, die sich in Deutschland zweifellos bewährt hat, wird beibehalten. Dies stellt einen maßgeblichen Baustein für Kontinuität und Planungssicherheit dar.

Lassen Sie mich am Schluss auf einen Aspekt zurückkommen, der im Gesetzgebungsverfahren eine Rolle gespielt hat und der auch jetzt wieder Gegenstand von Ausschussempfehlungen ist, die auf eine Anrufung des Vermittlungsausschusses abzielen: Es geht um die Universaldienstverpflichtung, die auf einer gesetzlich festgelegten Bandbreite basiert und gegen die sich Hessen im Gesetzgebungsverfahren immer wieder deutlich gewandt hat.

Universaldienst ist kein geeignetes Instrument zur Umsetzung des Hochgeschwindigkeitsbreitbandausbaus, sondern kann lediglich eine flächendeckende Grundversorgung sicherstellen. Nach den Erfahrungen, die wir in Hessen gemacht haben, ist diese Grundversorgung auch ohne Universaldienst erreichbar. Ich gehe davon aus, dass dies auch für die anderen Länder gilt, zumal die Satellitentechnologie einen entsprechenden Beitrag leistet. Eine Universaldienstverpflichtung mit festgelegter Bandbreite verunsichert etablierte und neue Akteure im Telekommunikationsmarkt in ihren Ausbauvorhaben und behindert damit Investitionen. Statt einen – nicht wettbewerbskonformen – Breitbandausbau über eine solche Verpflichtung erzwingen zu wollen, gilt es vielmehr, eine Abstimmung zwischen Bund und Ländern über geeignete Instrumente des Hochgeschwindigkeitsbreitbandausbaus herbeizuführen und diese konsequent zu nutzen. Hessen hat im vergangenen Jahr eine Hochgeschwindigkeitsstrategie erarbeitet und setzt diese nun im Projekt „Breitband in Hessen“ um. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie einladen, von unseren Erfahrungen zu profitieren.

Das vorliegende Gesetz schafft Lösungen statt Barrieren für einen wettbewerbskonformen Breitbandausbau. Der Breitbandausbau in Deutschland erfordert sichere Rahmenbedingungen und Leitplanken. Wir können und sollten es uns nicht leisten, mit der Diskussion noch einmal bei null anzufangen.


Quelle: Plenarprotokoll
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Re: Bundesrat TKG

Beitragvon Stefan Werner » 01.12.2011 21:52

Nach den Erfahrungen, die wir in Hessen gemacht haben, ist diese Grundversorgung auch ohne Universaldienst erreichbar.

Ich musste die Erfahrung machen, dass das für unsere Gemeinde in Hessen mit knapp 11.000 Einwohner 3,3 Millionen Investitionsvolumen bedeutet (vorläufige Annahme, bekanntlich wird es meist teurer). Hierbei wird mit einer Wirtschaftlichkeit nach 11 bis 15 Jahren gerechnet. Dies unter der Voraussetzung, dass sich in diesem Zeitraum mindestens 50% der Privathaushalte und 30% des Gewerbe anschließen.
Diesen Anteil an Anschlüssen ziehe ich allerdings auf Grund einer doch schon recht guten Situation bei den derzeit verfügbaren Bandbreiten in Allgemeinen in unserer Gemeinde sehr in Zweifel.

Was ich auch etwas fragwürdig in unserem Fall finde, der Netzausbau findet auf Kosten der Allgemeinheit statt, betrieben wird das Netz dann aber von einem Unternehmen aus der Wirtschaft.
Das Risiko wird also auf die Allgemeinheit umgelegt, den Profit macht ein Betreiber aus der Wirtschaft.

Ein typisches FDP Modell, man könnte fast schon sagen ein sozialistisches Modell zu Gunsten eines Wirtschaftsbetrieb!
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Re: Bundesrat TKG

Beitragvon HeinzHaraldF » 01.12.2011 23:37

Um diese Aktion perfekt zu machen, sollte der Betreiber aber noch enteignet werden. :lol:
htp FTTH 500/250 , bis zu 1 Gbit/s möglich, aber für 30,- € Aufpreis
Telekom Hybrid Tester mit bis zu 100 Mbit/s Down und 40 Mbit/s Up, bei Last aber nur 6 / 1 (abgeschaltet)
1x Call & Surf Comfort Plus IP, Annex J 8,2/2,4 Mbit/s, 25,47 dB (erweitert zu Hybrid)
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