Portel: Tk-Anbieter können Breitbandausbau nicht stemmen

Neuigkeiten zum Thema Telekommunikation und Breitband

Portel: Tk-Anbieter können Breitbandausbau nicht stemmen

Beitragvon bru62 » 29.06.2009 17:27

Portel.de veröffentlicht heute ein Interview mit Frank A. Rothauge (Chef-Analyst von Sal. Oppenheim).

Dieser meint auf Nachfrage, ob der Telekom tatsächlich die finanziellen Mittel für Investitionen fehlen: "Die bisherigen Ausgaben für den VDSL-Ausbau waren schon verlustreich genug und sind für die Eigenkapitalgeber völlig unzumutbar, da sie sich über Jahre hinaus nicht rechnen." Dies betrifft in abgeschwächter Form auch alternative Unternehmen, die trotz dann ja wegfallender TAL-Miete immer noch zu wenig Rendite erwirtschaften könnten. Auch aufgrund der angespannten Wirtschaftskrise und der Kreditklemme hält es Rothauge für wahrscheinlich, dass die Breitbandstrategie der Bundesregierung "kläglich scheitert". Vielmehr erwartet er, "dass der Infrastrukturbasierte Wettbewerb einschlafen wird." Vor allem die Telekom wird wohl nur noch "defensiv" investieren, d.h. nur dort, wo sie Konkurrenz erwartet.

Die Bundesregierung sollte den Ausbau der Glasfasernetze mit KfW-Krediten fördern. Große Bedeutung misst Rothauge den Kommunen zu: "Die Kommunen kalkulieren bei dem Thema ganz anders als die Unternehmen. Bei ihnen steht ja kein bestimmter RoI im Vordergrund, sondern sie wollen ihre Stadt für Bürger und Investoren attraktiver machen, damit ihnen die Einkommens- und Gewerbesteuern erhalten bleiben."

Nach dem zu beobachtenden Konzentrations- und Konsolidierungsprozess in der Branche befragt, meint Rothauge: "Ich kann mir daher sehr gut vorstellen, dass es am Ende in Deutschland nur noch einen großen Mobilfunk Service Provider geben wird."

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Re: Portel: Tk-Anbieter können Breitbandausbau nicht stemmen

Beitragvon essig » 29.06.2009 19:19

bru62 hat geschrieben:Chef-Analyst von Sal. Oppenheim

sal. oppenheim, sal. oppenheim... war da nicht was? ach ja das ist doch die privatbank die mit knapp 30 % an arcandor (karstadt, quelle usw.) beteiligt ist und dort mit ihrem engagement offensichtlich nicht ganz so erfolgreich war. gute analysten hätten schon vor jahren einen ganz anderen kurs im fall "arcandor" vorgeschlagen aber dafür kann zugegeben herr Rothauge nichts.

zum eigentlichen thema:

Frank A. Rothauge hat geschrieben:Der Telekom fehlen in der Tat derzeit die Mittel für weitere Investitionen in den Breitbandausbau.
...
Free Cash Flow-Ziel von 7 Milliarden Euro ... nur erreichen, wenn er die Investitionen reduziert
...
Ausgaben für den VDSL-Ausbau waren schon verlustreich genug und sind für die Eigenkapitalgeber völlig unzumutbar
...
aber im Endergebnis sind die Renditen immer noch nicht gut genug
...
befindet sich die Telekommunikationsbranche derzeit in einer ungesunden Finanzierungssituation
...
Die Investitionen für Glasfaser bis zum Haus ... sind aber noch deutlich höher, und zur Versorgung der ländlichen Gebiete gänzlich ungeeignet.
...
Ich erwarte jedenfalls, dass der Infrastrukturbasierte Wettbewerb einschlafen wird
...
Die Telekom wird nur noch dort ausbauen, wo auch die Wettbewerber investieren, um ihre Kunden nicht zu verlieren und ihre Marktstellung zu behaupten.

dann kann man das netz doch gleich in eine öffentliche gesellschaft ausgliedern und allen marktteilnehmern einen fairen zugang gewähren. besser heute als morgen. auch dieses interview zeigt ein weiteres mal, dass es so einfach nicht funktioniert und weiter gehen kann.

der hauptgrund warum man die telekom vor 14 jahren privatisiert hat war die kapitalbeschaffung um die investitionen in den neuen ländern stemmen zu können und nun? nun wird das ex-staatsunternehmen privatwirtschaftlich geführt und man steht wieder vor großen investitionen und hat wieder kein kapital und was tut man? man lässt sich den ausbau durch bund, länder und kommunen finanzieren? gehts noch?

die aussage "Die Telekom wird nur noch dort ausbauen, wo auch die Wettbewerber investieren, um ihre Kunden nicht zu verlieren und ihre Marktstellung zu behaupten" ist zwar wirtschaftlich verständlich aber gesellschaftlich pervers. das wäre so als würde man in afrika genau dort brunnen bauen wo es bereits mehr als genug gibt während anderswo die bedürftigen jämmerlich zu grunde gehen.
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Re: Portel: Tk-Anbieter können Breitbandausbau nicht stemmen

Beitragvon bru62 » 19.10.2009 18:04

Sal. Oppenheim hat gemeinsam mit dem Beratungsinstitut OC&C einen erneuten "Insight" mit deutlichen Hinweisen auf die Verfasstheit des deutschen Breitbandmarktes veröffentlicht. Bei portel.de gibt es sowohl die Zusammenfassung als auch das zugrundeliegende Dokument zum nachlesen. Einige Auszüge:

Uns fehlt aktuell die Phantasie für ein Szenario, in dem die Banken jenen deutschen Anbietern mit negativem Cash Flow große Investitionen wie Fibre to the Curb (d.h. VDSL) oder gar Fibre to the Building finanzieren. Die Zukunftsaussichten für deutsche Anbieter — und damit leider auch für den deutschen Infrastrukturausbau — sind daher eher trübe.


Grund ist der weitgehend gesättigte Markt und der deshalb verschärfte Wettbewerb, der bei sinkenden Preisen kaum noch nennenswerte Gewinnmargen zulässt. Einen Ausweg sehen die Autoren in einer weiteren Konsolidierung des Marktes, d.h. in einer Übernahme kleinerer durch größere Anbieter:

Ein Zusammenschluss zweier Wettbewerber bietet indes neue Perspektiven: Große Kostenblöcke könnten dann entfallen, und zudem ließen sich erhebliche Investitionen einsparen, wenn sich Teile der Infrastruktur überlappen


Der Bundesregierung wird eine Änderung ihrer Strategie empfohlen:

Statt einer vermeintlich investitionsfreundlichen Regulierung ist ein Breitband-Finanzierungsprogramm für kleinere Anbieter durch die KfW aus unserer Sicht eine sinnvollere Maßnahme. Denn stellt die Bundesregierung keine alternativen Finanzierungen bereit, wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ihr Ziel verfehlen, 75 % der deutschen Haushalte bis 2014 mit einem Breitbandanschluss zu versorgen.


Zur Empfehlung, den Infrastrukturausbau und -betrieb gleich als öffentliche Aufgabe zu sehen und zu stemmen, kann man sich als Privatbank offenbar nicht durchringen.

Trotzdem eine durchaus aufschlussreiche und spannende Lektüre.

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Re: Portel: Tk-Anbieter können Breitbandausbau nicht stemmen

Beitragvon spokesman » 19.10.2009 19:12

Arnt Rautenberger vertritt die soziale Marktwirtschaft und spricht sich für Konsolidierungen, d.h. Zusammenschlüsse der Unternehmen aus um Kosten einzusparen.

Wenn man sich jetzt mal ein Beispiel vor Augen führt könnte folgendes Szenario entstehen:
Die Deutsche Telekom AG Konsolidiert mit mehreren kleinern, teilweise neu gegründeten oder frisch etablierten Breitbandunternehmen,
die Billigsysteme laufen, wie Support und weitere Planung über die Strukturen der Deutschen Telekom AG.
Hier würde die Deutsche Telekom AG neue Kundenstämme gewinnen, nicht mehr benötigte Mitarbeiter einsparen und somit den Gewinn steigern.

In den letzten Jahren hat die Bundesregierung versucht mehr Wettbewerb zwischen mehreren Unternehmen zu fördern und Monopolstellungen zu beseitigen, doch genau das Gegenteil würde durch die vorgeschlagenen Maßnahmen von Herrn Rautenberger eintreffen.

Bei beiden Varianten ist klar, dass ohne Open Access und ausreichend dimensionierte Breitbandanschlüsse per Glasfaser kein Wettbewerb mit gleichen Mitteln auf der Anbieterseite entstehen kann und schon gar keine ausreichende Versorgung der Bürger.
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Re: Portel: Tk-Anbieter können Breitbandausbau nicht stemmen

Beitragvon essig » 19.10.2009 23:30

die telekom kann in deutschland (im ausland sehr wohl) niemanden übernehmen, fusionieren, konsolidieren oder wie auch immer man es nennen möchte. das würde das kartellamt in den meisten konzernbereichen nicht zulassen zumindest nicht dort wo sie eine marktbeherrschende stellung (marktanteil von mehr als einem drittel ) inne hat. also dürfte die konsolidierung nur bei den wettbewerber stattfinden und das passiert ja bereits seit vielen jahren.

es gibt da viele beispiele aber nehmen wir nur mal versatel: die kaufte/fusionierte 1999 VEW-Telnet und bis heute die KomTel, Tesion, CompleTel, Berlikomm, TeleBeL, CNE, citykom, meocom, telelev, hukom, maineotk, rmn, mainzkom, pulsaar, ddkom, tnp, jetz, chemtel, AKF Telekabel TV, Datennetze GmbH und und und...
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