PM: Breitbandatlas: „Neuer Wein in alten Schläuchen“
PM vom 03.07.2009:
Breitbandatlas: „Neuer Wein in alten Schläuchen“
Mario Haupt aus Kleinvoigtsberg nahe dem sächsischen Freiberg staunte nicht schlecht. Ganze zwei bis drei „Kerntechniken“, nämlich DSL, Funk und UMTS sollen laut dem neuen Breitbandatlas des Bundeswirtschaftsministeriums in seinem Wohnort verfügbar sein (siehe anhängige Grafik). Dabei bemüht er sich seit Jahren vergebens um einen Breitbandinternetanschluss. Der ist bisher in seiner Gemeinde partout nicht zu bekommen. „Alle angesprochenen Anbieter haben abgewinkt. Auch unser Bürgermeister sieht keine Möglichkeit, zu helfen. Deshalb haben wir jetzt begonnen, Unterschriften zu sammeln, um auf unsere Lage aufmerksam zu machen.“, sagt Haupt. Ganz offenbar wird im Atlas mit falschen Daten gehandelt. Verschämt wird im Kleingedruckten sogar darauf hingewiesen: „Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten wird keine Haftung übernommen.“
Bernd Rudolph von der Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- kennt viele Beispiele wie Kleinvoigtsberg: „Es dürften Millionen Betroffene sein, die sich nach einem Blick in den Atlas voller Verwunderung fragen, wozu mit hunderttausenden Euro Steuergeldern eine Datenerhebung durchgeführt wird, die hinten und vorne nicht stimmt.“ Bereits in der Vergangenheit wurden die veröffentlichten Zahlen des Wirtschaftsministeriums von Experten und selbst von Koalitionspolitikern in Frage gestellt. „Die Grundlage ist falsch. Unternehmen liefern Daten auf der Basis der Freiwilligkeit. Niemand prüft scheinbar ausreichend, ob das Ganze schlüssig ist.“, meint Rudolph. Selbst die Regierung verwendet unterschiedliche Zahlen. Auffällig ist, dass der Anteil der Haushalte mit einer Verfügbarkeit von mindestens einem Megabit pro Sekunde seit Herbst 2008 in den Verlautbarungen des BMWi um ca. fünf Prozent gestiegen ist. Rudolph: „Das wären fast zwei Millionen Haushalte in wenigen Monaten. Über ein solches Ausbautempo würden wir uns wahnsinnig freuen. Doch in Wirklichkeit passierte viel, viel weniger.“
Für die Betroffenen ist klar, dass man offenbar die Probleme weiter vor sich herschiebt. Rudolph: „Mit Aktionismus und großen Ankündigungen soll der Öffentlichkeit weisgemacht werden, man habe die Sache im Griff. In Wahrheit wird ziemlich hilflos agiert. Die Telekom kürzt ohne ein offenes Wort der Kritik aus Regierungskreisen ihre Investitionen in dramatischer Weise. Andere Anbieter halten sich gleich vornehm zurück. Fördermittel werden kaum abgerufen. Der Ausbau der Breitbandverbindungen dürfte gegenwärtig stagnieren.“
Immer deutlicher zeigt sich so, dass ohne eine gesetzlich garantierte Grundversorgung eine flächendeckende Versorgung mit Breitband nicht erreichbar ist. Leider verweigert sich die Bundesregierung noch immer dieser Einsicht. Dabei hätte die Einführung eines Breitbanduniversaldienstes einen alles entscheidenden Vorteil. „Die Bundesnetzagentur könnte unmittelbar exakte Daten erfassen. Damit wären zielgerichtete Investitionen viel eher möglich, als auf der Grundlage der Fantasiezahlen des BMWi.“, meint Bernd Rudolph und fügt hinzu: „Wir bleiben am Ball. Für Mario Haupt und alle Opfer der digitalen Spaltung in Deutschland.“