ZDF heute - Computer (20.05.2009)
Schnelles Internet kommt später
Nach drei Monaten: Breitbandinitiative der Regierung lahmt
von Alfred Krüger
Breitband für alle - notfalls auch per Funk. Das hatte die Regierung beschlossen. Doch die Breitbandinitiative kommt nicht recht in Schwung. Der Bundesrat hat wichtige Entscheidungen vertagt. Der Grund: technische Probleme und ungelöste Kostenfragen.
Mitte Februar herrschte Aufbruchstimmung. Die Bundesregierung hatte gerade beschlossen, bis Ende 2010 würden alle weißen Flecken auf der deutschen DSL-Landkarte getilgt. Bis 2014 sollten gar drei Viertel aller Haushalte an das neue superschnelle VDSL-Netz angeschlossen werden. Surfer könnten dann mit sagehaften 50 Megabit pro Sekunde durchs Netz der Netze rauschen.
"Könnte, sollte, würde"
Drei Monate später macht sich Katerstimmung breit. "Könnte, sollte, würde", schimpft Mario Haupt von "Geteilt.de", einer bundesweiten Initiative, die sich die Beseitigung der digitalen Spaltung bei der Breitbandversorgung auf ihre Fahnen geschrieben hat. Eine wirklich verbindliche Aussage fehle immer noch, sagt Haupt. "Stattdessen will man ländliche Gebiete mit Frequenzen der digitalen Dividende versorgen, die noch gar nicht verfügbar sind. (...) Hier wird das Fell verkauft, bevor der Bär erlegt ist."
Tatsächlich beruht die Breitbandinitiative der Bundesregierung zu einem großen Teil auf der Nutzung von Funkfrequenzen, die durch die Digitalisierung der Rundfunkübertragung frei geworden sind. Diese sogenannte digitale Dividende soll für die Versorgung mit schnellem Internet per Funk genutzt werden. Hintergrund der Überlegung: Der flächendeckende Aufbau eines Festnetzes ist zu teuer und auf dem flachen Land unwirtschaftlich. Die bisherigen Rundfunkfrequenzen könnten genutzt werden, um das schnelle Internet per Funk auch in die digitalen Wüsten zu befördern.
ISDN: Langsam und teuer
Das ist auch dringend nötig. Denn Schätzungen zufolge leben noch immer fünf Millionen Bundesbürger in der DSL-Diaspora. Rund 800 Gemeinden müssen noch ans schnelle Internet angeschlossen werden. Während in den Ballungsgebieten eine fast hundertprozentige Versorgung mit Breitbandanschlüssen erreicht ist, hat ein Zehntel der Landbevölkerung überhaupt keinen Zugriff auf das schnelle Internet. Besonders betroffen: Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz.
Die Zahlen fielen sogar noch schlechter aus, würde man aus der offiziellen Statistik jene Internetanschlüsse herausrechnen, die die Deutsche Telekom als "DSL Light" verkauft. Damit wird allenfalls doppelte ISDN-Geschwindigkeit erreicht - ein Bruchteil dessen, was etwa ein DSL-6000-Anschluss leisten kann. Der einzige Vorteil für den Kunden: Er bekommt "DSL Light" zum Flatrate-Tarif und kann unbegrenzt surfen. Für ISDN-Nutzer gibt es solche günstigen Pauschaltarife in der Regel nicht. Sie surfen langsam und dazu noch teuer.
"Verteilungskampf hat erst begonnen"
Dass es beim Ausbau des Breitbandnetzes zu Verzögerungen kommt, gibt auch die Bundesregierung zu. "Bei der Breitbandverkabelung sind wir - das verhehle ich nicht - noch nicht so weit, wie wir es eigentlich erwartet haben", erklärte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) Anfang Mai im Deutschen Bundestag. Der Breitbandausbau sei eine schwierige "Daueraufgabe", die nur mit einem Mix unterschiedlicher Techniken zu bewältigen sei.
Auch "freiwerdende Funkfrequenzen" könnten für die flächendeckende Breitbandversorgung in ländlichen Gebieten verwendet werden, sagte Aigner. Das sei ein Trugschluss, meint Bernd Rudolph von "Geteilt.de". "Die Frequenzen stehen frühestens 2011 zur Verfügung." Und selbst das sei noch nicht klar. "Der Verteilungskampf um die Frequenzen hat gerade erst begonnen."
Bei der Nutzung der freiwerdenden Funkfrequenzen hat der Bundesrat ein Wörtchen mitzureden. Die Länderkammer muss die Frequenzen freigeben, bevor sie von der Bundesnetzagentur meistbietend an die Internetzugangsanbieter versteigert werden können. Das Thema stand für den 15. Mai auf der Tagesordnung der Länderkammer - und wurde ersatzlos gestrichen. Erst auf seiner nächsten Sitzung Mitte Juni werde sich der Bundesrat erneut mit der Materie befassen, heißt es.
Wer soll das bezahlen?
Mittlerweile mehren sich Stimmen, die massive technische Probleme erwarten, würde die digitale Dividende tatsächlich wie geplant zur breitbandigen Internetversorgung genutzt. "Durch die Signaleinstrahlung wurden Set-Top-Boxen und Fernsehgeräte in ihrer Funktion massiv gestört", fasst Thomas Braun, Präsident des Verbandes Deutscher Kabelnetzbetreiber (ANGA), das Ergebnis einer Untersuchung zusammen, die sein Verband zusammen mit dem Münchener Institut für Rundfunktechnik durchgeführt hat.
Der Verband für professionelle drahtlose Produktionstechnologie (APWPT) wird von ähnlichen Sorgen geplagt. Rund 630.000 drahtlose Mikrofone, die bei Konzerten, Fernsehsendungen oder Sportveranstaltungen eingesetzt werden und den Frequenzbereich der digitalen Dividende nutzen, müssten umgerüstet werden, erklärte der Verband. Geschätzte Kosten: mehr als eine Milliarde Euro.
Wer soll das bezahlen? "Es wird geprüft, inwieweit diese Umstellungskosten angemessen im Rahmen der Neuvergabe unter anderem durch die künftigen Frequenznutzer zu tragen sind", heißt es in einer Verordnung der Bundesregierung, die der Bundesrat auf seiner Sitzung Mitte Mai eigentlich absegnen sollte. Die Abstimmung wurde vertagt. Wie die Kosten umgelegt werden sollen, ist momentan noch völlig ungeklärt.