ZDF: Breitband bald für alle?
Verfasst: 29.11.2008 14:09
ZDFheute 28.11.2008
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Breitband bald für alle?
Schnelles Breitbandinternet: Versorgung zwischen Wunsch und Wirklichkeit
von Alfred Krüger
Deutschland ist kein IT-Entwicklungsland - wenn man nicht gerade auf dem Lande wohnt. Hier surft man vielfach noch im Schneckentempo. Das deutsche Breitbandnetz hat große Lücken. Eine bundesweite Abfrage des Breitbandbedarfs soll daran etwas ändern.
Deutschlands Internetnutzer könnten zufrieden sein. Folgt man der offiziellen Statistik, könnten satte 98 Prozent der deutschen Haushalte mit DSL-Geschwindigkeit durchs Netz der Netze surfen. Der Pferdefuß dabei: Die Verfügbarkeit eines DSL-Anschlusses sagt noch nichts über seine technisch mögliche Geschwindigkeit. So ist bekannt, dass Internetprovider ihren Kunden in ländlichen Gebieten zuweilen nur ein abgespecktes DSL verkaufen können: "DSL light", dreimal langsamer als der DSL-1000-Anschluss, doch zum selben Preis.
Digitale Kluft wird größer
Wie viele Bürger völlig durch das bundesdeutsche DSL-Netz fallen, lässt sich nur schätzen. Bis zu 800 Städte und Gemeinden mit rund 2200 Ortschaften seien immer noch nicht angeschlossen, sagt Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Rund drei Millionen Haushalte mit ungefähr fünf Millionen Menschen seien dadurch unterversorgt. Und was würde es kosten, die weißen Flecken in der DSL-Versorgung zu beseitigen und alle Bundesbürger mit einer Bandbreite von 2 Megabit pro Sekunde zu versorgen? Habbel hat auch darauf eine Antwort: runde zwei Milliarden Euro.
Offenbar sind die großen deutschen Telekommunikationsunternehmen nicht bereit, diese Summe in den flächendeckenden Ausbau ihrer Breitbandnetze zu stecken. Die Investition rentiert sich für die Großen dieser Branche nicht. Die Zahl der potenziellen Neukunden wäre zu gering. Flächendeckendes Breitband auf dem flachen Lande bliebe auf Dauer ein Zuschussgeschäft. Stattdessen investiert die Deutsche Telekom derzeit kräftig in ihr wirtschaftlich profitableres Hochgeschwindigkeitsnetz.
Bis Ende des Jahres sollen rund 80 Städte an das neue VDSL2-Glasfasernetz angeschlossen sein. Davon profitieren in der Regel jene Bürger, die auch jetzt schon keine DSL-Not leiden. Die digitale Kluft zwischen Stadt und Land werde sich weiter vergrößern, meint Erika Mann, SPD-Europaabgeordnete aus Niedersachsen. Das sei eine "ausgesprochen ungesunde Entwicklung, weil damit der ländliche Raum von vielen neuen Entwicklungen nahezu ausgeschlossen bleibt."
Breitband - vom Staat verordnet?
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund stößt ins selbe Horn. "Die Breitbandautobahnen sind die Lebensadern des 21. Jahrhunderts", erklärt Verbandssprecher Franz-Reinhard Habbel. "Die Lebens- und Standortqualität der Kommunen hängt heute entscheidend von den schnellen Datenleitungen ab." Gemeinden ohne Breitbandanschluss hätten bald mit einer dramatischen Beschleunigung der Landflucht zu rechnen: Erst wandern die Unternehmen ab. Dann ziehen die Menschen weg.
Auch die Betroffenen üben harsche Kritik. "Investiert wird nur dort, wo es gewinnträchtig ist", beschwert sich Rene Regel von der Initiative gegen digitale Spaltung "geteilt.de". Deshalb dürfe man sich bei der Breitbandversorgung nicht mehr alleine auf den Markt verlassen. Der Markt versage in vielen ländlichen Regionen schon seit Jahren, sagt auch Bernd Rudolph von "geteilt.de".
Breitbandversorgung sei für den Bürger heutzutage genauso wichtig wie etwa das flächendeckende Telefonnetz oder die Postzustellung von Briefen, egal in welchem Winkel Deutschlands der Empfänger wohnt. Die Bundesregierung müsse die Breitbandversorgung deshalb mit in den Katalog solcher Universaldienste aufnehmen, fordert "geteilt.de". Die Unternehmen würden dadurch verbindlich verpflichtet, ihre Netze auszubauen und Breitband für alle flächendeckend anzubieten.
Befragung zum Breitbandbedarf gestartet
Von solchen Plänen hält der Deutsche Städte- und Gemeindebund augenscheinlich wenig. Breitband als Universaldienst, das sei ein Modell der Vergangenheit und würde die Unternehmen unzumutbar belasten, meint Franz-Reinhard Habbel. Sein Verband setzt stattdessen auf Hilfe zur Selbsthilfe und hat zusammen mit dem Deutschen Städtetag und dem Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) eine bundesweite Befragung der Kommunen zum Breitbandbedarf gestartet.
"Im Rahmen der Befragung werden Daten erhoben, die für eine flächendeckende Versorgung relevant sind", heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium, das die Befragung unterstützt. So werde etwa nach der Anzahl unversorgter Haushalte und Betriebe oder nach bereits vorhandener Infrastruktur gefragt. "Mit Hilfe der daraus erstellten Datenbank können dann für jede Gemeinde innerhalb kurzer Zeit die geeigneten Technologien und der Wirtschaftlichkeitsgrad der Erschließung identifiziert werden", hofft das Bundeswirtschaftsministerium.
Maßgeschneiderte Lösungen
Was für die Großen der Branche unwirtschaftlich ist, kann für den Mittelstand ein durchaus lohnendes Geschäft sein. Die neue Datenbank soll es interessierten mittelständischen Unternehmen erleichtern, Städten und Gemeinden maßgeschneiderte Lösungen zur Breitbandversorgung anzubieten. "Je genauer die Angaben der Gemeinden sind, desto leichter fällt die Schließung der Versorgungslücken", sagt Bernd Pfaffenbach, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium.
Wie viele Breitbandlücken sich dadurch wirklich stopfen lassen, muss sich allerdings noch zeigen. Pfaffenbach ist optimistisch. "Unser Ziel ist es, dass jeder, der einen breitbandigen Internetanschluss möchte, diesen auch bekommt."
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