Seite 1 von 1

Digitale Spaltung

BeitragVerfasst: 27.03.2008 14:55
von Presse
Datum: 16.05.2007
Quelle: polixea-portal.de
Titel: Digitale Spaltung


polixea-portal.de hat geschrieben:Digitale Spaltung

Die digitale Kluft ist nicht zu übersehen - sowohl in Deutschland als auch weltweit. Während sie in Deutschland vor alle soziale und ökonomische Folgen für einzelne Betroffene hat, verpassen anderswo ganze Kontinente den Anschluss an politische und wirtschaftliche Entwicklungen. UNO, Weltbank und WTO haben verschiedene programme aufgelegt, um die Kluft zwischen digitalisierten und nicht digitalisierten Weltregionen zu überwinden. Konkrete Ergebnisse blieben aber bisher aus.

Millionen von Menschen können sich ansehen, wie der britische Premierminister Tony Blair dem neuen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zum Wahlsieg gratuliert. Denn Blair überbringt seine Glückwünsche per Internet-Video, das auf der Website youtube.com für alle zu sehen ist, die Zugang zum Internet haben. Der britische Premier ist nicht der einzige Politiker, der das Internet nutzt: Die beiden französischen Präsidentschaftskandidaten Sarkozy und Royal lieferten sich dort das entscheidende Kandidatenduell; Bundeskanzlerin Angela Merkel tritt über Podcasts regelmäßig in Kontakt zur Bevölkerung. Die politische Willensbildung und –äußerung verlagert sich zusehends ins Internet; ebenso verhält es sich mit wirtschaftlichem Handeln und der Kommunikation überhaupt. Wer also mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien wie Internet, Handy oder i-Pod vertraut ist, ist klar im Vorteil. Der Zugang zu modernen Medien und die Fertigkeiten im Umgang damit bestimmen unsere gesellschaftliche und wirtschaftliche Position maßgeblich mit.

Umso gravierender ist es, dass nicht alle Mitglieder der deutschen Gesellschaft an dieser Entwicklung teilnehmen. Die Zahl der „Offliner“ in Deutschland, also Menschen, die den technischen Innovationen nicht folgen können oder wollen, verringert sich zwar stetig, beträgt aber noch immer fast 36 Prozent. Ein nicht zu verachtender Teil der Bevölkerung bleibt also hinter den Entwicklungen zurück - dieses Phänomen nennt sich digitale Spaltung. Der Begriff prägt die Diskussion um die neuen Kommunikationstechnologien schon seit über zehn Jahren, doch das Problem besteht nach wie vor. Die eine Gruppe der „Offliner“ weigert sich, mit modernen Medien zu arbeiten. Meist sind es ältere Menschen, die sich nicht auf Internet- oder Handynutzung einlassen wollen. Sie sind oft technikfeindlich eingestellt, haben kein Vertrauen in Onlinetransaktionen und verfügen noch dazu selten über Englischkenntnisse, die jedoch im größtenteils anglophonen Netz erforderlich sind. Doch auch Jüngere verweigern sich dem Internet; sei es aus Sorge um ihre Daten oder weil sie alternative Mediennutzungsstrategien praktizieren möchten.

Die andere Gruppe, die keinen Zugang zur modernen Technik hat, wird durch äußere Umstände an der Nutzung gehindert. Hier spielt die soziale Herkunft eine große Rolle: Wer über wenig Einkommen verfügt, kann sich schon allein die teure Hardware nicht leisten - vom Internetzugang ganz zu schweigen. Entscheidend ist in Deutschland außerdem der Bildungsgrad: Vier von fünf Abiturienten haben Zugang zu Computer und Internet, während dies an den Hauptschulen nur für jeden zweiten Schüler gilt. Ähnlich wie bei älteren Bürgern sind auch in den so genannten bildungsfernen Schichten die mangelnden Sprachkenntnisse ein Hindernis auf dem Weg zur Digitalisierung. Hinzu kommt die digitale Kluft zwischen Stadt und Land. Während ländliche Gegenden mehr schlecht als recht ans Internet und an Handynetze angebunden sind, sieht es in den Städten sehr viel besser aus: Zahllose Internetcafés oder Wireless-Lan-Netze an den Universitäten helfen aus, wenn es zu Hause keinen Internetzugang gibt.

Ganz andere Dimensionen hat die globale digitale Spaltung, die die tiefe Kluft zwischen den insgesamt hoch digitalisierten Industriestaaten und den schwach digitalisierten Entwicklungsländern meint. Nur 9,2 Prozent der Asiaten hatten im Jahr 2005 Zugang zum Internet, im mittleren Osten waren es 8,6 Prozent und die afrikanische Bevölkerung bildete mit 2,7 Prozent das Schlusslicht im Vergleich der Weltregionen. In Nordamerika dagegen, dem Spitzenreiter, nutzten bereits 68,2 Prozent der Bevölkerung digitale Medien. Neben diesen Internet-Penetrationsraten veröffentlichte das Marktforschungsinstitut TNS Infratest in seinem Faktenbericht 2006 auch die Wachstumsraten der Internet-Nutzung. Hierbei verhält es sich genau umgekehrt: Afrika verzeichnet die höchste, Nordamerika die niedrigste Zuwachsrate. Dass sich die digitale Kluft noch weiter vertieft erscheint angesichts dieser Zahlen unwahrscheinlich, aber überwunden ist sie längst noch nicht.

Die Gründe für die schleppende Entwicklung in den Entwicklungsländern sind vielfältig: Zunächst sind die technischen Voraussetzungen für Telefon- und Internetanschlüsse in weiten Teilen der Welt nicht gegeben. Eine flächendeckende Stromversorgung gibt es nicht, und in den Städten, wo die technische Infrastruktur weiter vorangeschritten ist, sind die Zugänge teuer. Dies liegt vor allem daran, dass in der Regel staatliche Monopolunternehmen die Informations- und Kommunikationsmärkte besetzen und die Preise entsprechend hoch sind. Doch die Spaltung besteht nicht nur auf dem Gebiet der Technik - auch inhaltlich berührt das Internet die Lebenswelt armer Bevölkerungsschichten kaum. Dies ist nicht verwunderlich, denn allein 70 Prozent der Websites sind US-amerikanisch. Selbst wenn sich die technische Situation in den Entwicklungsländern verbessern und der Anteil der nichtwestlichen Websites steigen würde, so würde die niedrige Alphabetisierungsrate in den Entwicklungsländern trotzdem verhindern, dass sich der Anteil der Internetnutzer und -nutzerinnen massiv erhöht. Da Frauen im Regelfall noch weniger Zugang zu Bildung und Alphabetisierung haben als Männer, erhält das Phänomen der digitalen Spaltung zusätzlich noch eine geschlechtsspezifische Färbung.

Die digitale Kluft ist nicht zu übersehen – sowohl in Deutschland als auch weltweit. Während sie in Deutschland vor allem soziale und ökonomische Folgen für einzelne Betroffene hat, verpassen anderswo ganze Kontinente den Anschluss an politische und wirtschaftliche Entwicklungen. Hinzu kommt, dass die Menschen dort das demokratische und emanzipative Potential und die Bildungsangebote des Internets nicht nutzen können. Sie haben deshalb kaum Möglichkeiten, sich aus eigener Kraft weiterzuentwickeln und bleiben langfristig abhängig von den reichen Geberstaaten.

Maßnahmen zur Überwindung der digitalen Spaltung sind nötig. Die Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder hat bereits im Herbst 2000 die Kampagne „Internet für alle“ gestartet, um unterrepräsentierte Gruppen in Deutschland an digitale Medien heranzuführen. Ein bereits erfolgreich abgeschlossenes Projekt ist die Initiative „Schulen ans Netz“, die das Bundesbildungsministerium zusammen mit der Deutschen Telekom AG gestartet hat. Neu ist das Aktionsprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums "Informationsgesellschaft Deutschland 2010" (iD2010) aus dem letzten Jahr, womit die Bundesregierung die Anwendung der neuen Technologien in der gesamten Gesellschaft fördern will. Auch zivilgesellschaftliche Initiativen wie geteilt.de machen sich stark für die Überwindung der digitalen Spaltung innerhalb der Bundesrepublik.

Im globalen Kontext haben UNO, Weltbank und WTO verschiedene Programme aufgelegt, um die Kluft zwischen digitalisierten und nicht digitalisierten Weltregionen zu überwinden. Im Zentrum dieser Bemühungen stand der durch die UNO einberufene Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS), der in zwei Etappen, 2003 und 2005, stattfand und der den Begriff der digitalen Spaltung ins öffentliche Bewusstsein rückte. Konkrete Ergebnisse jedoch blieben aus. Der Vorschlag des senegalesischen Präsidenten, einen „Digitalen Solidaritätsfonds“ zu gründen, stieß bei den Industriestaaten auf Ablehnung. Die Begründung: Eine digitale Infrastruktur entwickle sich von alleine, wenn erst die entsprechenden Märkte liberalisiert seien. Dass die Liberalisierung von bestimmten Sektoren tatsächlich zu erstaunlichen Fortschritten führen kann, hat der Mobilfunk gezeigt: Mobiles Telefonieren ist erschwinglich geworden. Im Jahr 2008 wird jeder dritte Afrikaner ein Handy besitzen. Doch die Liberalisierung der Märkte birgt auch die Gefahr privater Monopole. Denn Global Player aus dem Norden interessieren sich für die neuen Absatzmärkte und verdrängen unter Umständen kleinere, einheimische Unternehmen vom Kommunikationsmarkt. Den „Digitalen Solidaritätsfonds“ gibt es trotz der kontroversen Gipfeldebatten, aber er beruht auf dem freiwilligen Engagement öffentlicher und privater Einrichtungen. Eine viel versprechende Initiative ist das Projekt „100-Dollar-Laptop“, getragen von der gemeinnützigen Gesellschaft „One Laptop per Child“. Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelten Wissenschaftler diesen robusten und preiswerten Computer, um möglichst vielen Kindern Zugang zu digitalen Informationen zu verschaffen. Im Herbst 2007 werden voraussichtlich die ersten Laptops hergestellt werden. Und erschwingliche Software gibt es schon jetzt: Zivilgesellschaftliche Gruppen bieten kostenlos alternative Programme im Internet an.