grapevine hat geschrieben:...
Hier entsteht der Eindruck, dass die Netzbetreiber auf NGN-Technologie setzen, um damit mehr Kontrolle auszuüben.
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Ich habe es nicht so verstanden, dass der Eindruck erweckt werden soll, dass das NGN vorwiegend dafür da sei, mehr Kontrolle und mehr "Sonderwege" zu ermöglichen. Ich habe es aber so verstanden, dass NGN jedoch dieses eben
auch ermöglichen soll.
Somit kann man dann den einen Datenstrom genauer priorisieren, den anderen hinten ansetzen bzw. ausbremsen.
Ob die Netzbetreiber die Möglichkeiten auch zum Nachteil verschiedener Kunden nutzen, also wie sie diese Möglichkeiten nutzen, das können wir nur vermuten.
Diese Vermutungen gehen je nach persönlicher Sichtweise entsprechend auseinander.
Klar sollte aber sein, dass damit auch so umgegangen werden
kann (nicht: muss), dass das dem gemeinen Kunden zum Nachteil wird.
Wer auf diese Möglichkeit hinweist, will - wenn es nicht gerade nur um Aufschrei und Eigennutz geht - danach suchen, wie dieser Mißbrauch möglichst verhindert werden kann. Aber er will keinen Fortschritt verhindern oder irgendwelche Netzanbieter schlecht machen.
grapevine hat geschrieben:...
Der wahre Kern davon ist, dass man in einem NGN-Netz Kontrolle braucht.
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(Das Thema der Überwachung der reinen Funkionsfähigkeit lasse ich hier mal außen vor, weil dies jede etwas komplexere Technik braucht.)
Wann braucht ein Netz Kontrolle? Wenn ohne die Kontrolle das Netz nicht mehr vernünftig läuft. Also muss überwacht werden, dass dort, wo es eng wird, die Daten vernünftig übertragen werden. Zeitkritische Daten (Video, Sprache) sind davon besonders betroffen. Die Gefahr, dass es eng wird, tritt eher dann ein, wenn die Übertragungskapazitäten stark ausgelastet werden. Hilft da die Buchbarkeit von "Managed Services"? Ich würde sagen: Nein.
Denn:
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Mit der Buchbarkeit ändert sich erst mal nichts an den grundsätzlichen und den lokalen Übertragungskapazitäten in der Nähe des Kunden. Die Begrenzungen bleiben also bestehen, wenn sie nicht künstliche Begrenzungen sind. Es wird dann höchstens was an den "Daten-Vorfahrtsregeln" geändert.
Wenn es aber künstliche Beschränkungen sind, sind wir schon vom Best-Effort-Netz weg.
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Wenn Vereinbarungen zwischen Netzanbieter und Inhalteanbieter (verbunden mit entsprechenden Finanzierungsfestlegungen) zu einem entsprechenden Infrastrukturausbau im zentralen Netz geführt haben, warum soll dann der Kunde noch einmal für den Zugriff auf dieses schon vorhandene Netz zahlen?
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Wenn der Inhalteanbieter bei einem Netzanbieter erreichen will, dass die (potentiellen) Kunden des Inhalteanbieters seine Inhalte möglichst ohne Beeinträchtigung über den Netzanbieter erhalten, dann machen mehr lokale Daten-Übergabestellen sowie Vereinbarungen nur zwischen Netzanbieter und Inhalteanbieter bezüglich Infrastrukturausbau mehr Sinn. Den Kunden als zusätzlichen Zahler an den Netzanbieter hier mit hinzuzuziehen (über buchbare "Managed Services"), führt zum Einen zu lokal unterschiedlicher Nachfrage (und damit Infrastruktur-Auslastung) und lässt sich zum Anderen schlechter planen, als Ausbauten in Folge von Vereinbarungen zwischen Netzanbieter und Inhalteanbieter. Es würde ausreichen, wenn der Kunde direkt oder indirekt an den Inhalteanbieter das bezahlt, was diese zusätzlichen Ausbauten an Kosten enstehen lassen und der Inhalteanbieter durch entsprechende Vereinbarungen und Zahlungen eventuell notwendige Ausbauten (mit) finanziert. Den Kunden zusätzlich an Netzanbieters zahlen zu lassen, ist hier überflüssig - und wegen der Gefahr der für den Normal-Kunden nachteiligen Netzgestaltung (Abkehr vom Best-Effort-Netz) sogar problematisch bis gefährlich.
grapevine hat geschrieben:...
Historisch war es so, dass man für jeden Dienst ein eigenes Netz (im Sinne von: Infrastruktur) gebaut hat. Netz und Dienst waren damit aus einem Guss, denn jedes Netz war so aufgebaut, dass es die für den jeweiligen Dienst benötigten Merkmale möglichst gut unterstützt hat. In den "alten" Telekommunikations- und Datennetzen gab und gibt es sehr viele Kontrollmechanismen. Standards und Protokolle aus der Telekommunikationswelt (z.B. ISDN oder ATM) sind in der Tendenz sehr viel aufwändiger spezifiziert, als ihre Gegenstücke aus der Internetwelt (z.B. IP).
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Solange das neue "Einheitsnetz" ausreichend dimensioniert ist, dass es die zusammengefassten Dienste ohne Einschränkungen auch leisten kann, gibt es keinen Grund, dass so eine Zusammenfassung zu mehr Einschränkungen für den Kunden führen muss. Die Wählbarkeit von QoS für bestimmte Dienste durch den Kunden müsste ausreichen, um zeitkritische Dienste nicht unnötig zu behindern. Das Kontrollmöglichkeiten in Bezug auf die Funktionsfähigkeit des Netzes für den Netzanbieter weiter notwendig sind, wird ja nicht in Frage gestellt.
grapevine hat geschrieben:...
Die Umstellung auf NGN-Technologie bedeutet in grober Vereinfachung: Man schafft die ganzen anderen Infrastrukturen ab, und es gibt nur noch eine Netz-Infrastruktur, und darin wird vorwiegend IP gesprochen. Dieses eine Netz bildet die Basis zur Realisierung von verschiedenen Diensten. Das "Internet" ist für einen NGN-Netzbetreiber nur ein Dienst bzw. ein virtuelles Netzwerk auf dieser Infrastruktur, neben anderen Diensten. Es hat deshalb eine herausgehobene Stellung, weil hier derzeit "die Musik spielt" und weil die technischen Bedingungen im NGN-Netz mit denen des Internet naturgemäß übereinstimmen.
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Über Infrastrukturen, die nichts mit der eigentlichen Datenübermittlung zwischen den Kunden und Inhalteanbietern bzw. Kunden und Kunden zu tun haben, brauchen wir uns wohl weniger den Kopf zerbrechen. Teile des NGN-Netz-Infrastruktur, die für Abrechnung, Funktionsüberwachung, Infrastruktur-Steuerung usw. zuständig sind, stellen das Best-Effort-Internet nicht in Frage. Anders sieht es ggf. bei der unterschiedlichen Behandlung der der eigentlichen Datenübermittlung aus.
(Edit:)
Hier ist noch anzufügen, dass solche Dienste wie das, was man bisher "Standleitungen" genannt hat, zwar auch zum Datenaustausch dienen, aber ggf. ohne Verbindung zum Internet sind. Dass in diesem Fall auch nur die Vertragspartner (Netzanbieter, Kunde) festlegen werden, wie der Dienst gestaltet wird, dürfte normal sein. Führt dieser Dienst letztendlich aber auch "nur" wieder ins Internet, kann man ihn bei dem Thema Best-Effort / Netzneutralität auch nicht außen vor lassen.
grapevine hat geschrieben:...
Für das, was es schon vorher gab, und für neuartige Dienste mit besonderen Anforderungen genügen die Mechanismen eines klassischen IP-Netzwerks nicht, sondern man braucht mehr Kontrolle, also die Dinge, die hier in einen negativen Kontext rutschen.
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Steuerungs-Technologien, welche u.a. die reine Funktionsfähigkeit sicherstellen, sind nicht das Problem.
Technologien, die dazu genutzt werden, die Übermittlung von Daten künstlich zu bremsen oder aus reiner Netzanbieter-Sicht unterschiedlich zu priorisieren, können aber zum Problem für die Kunden werden. Wobei das Problem noch nicht mal die Technologien sind, sondern dass, was der Netzanbieter ggf. damit anstellt.
grapevine hat geschrieben:...
Das "Mehr" an Kontrolle kann natürlich auch für Maßnahmen verwendet werden, die zwar dem Netzbetreiber, aber nicht der Gesellschaft nutzen.
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Genau darum geht es.
grapevine hat geschrieben:...
Ich bin selbst gespannt, wo wir als Gesellschaft in den nächsten Jahren Sietmanns "rote Linie" festlegen.
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Um hier zu einem möglichst guten Ergebnsi zu kommen, ist es aber eben notwednig, die Gefahren zu benennen, auf ggf. mögliche Alternativen hinzuweisen und bei den entsprechenden Stellen (Politiker) dafür zu werben.
grapevine hat geschrieben:...
Nach meinem Gefühl in etwa so:
* Das Internet bleibt im Kern ein gut funktionierendes Best-Effort-Netz, das alle Pakete unabhängig von Inhalt und Dienst transportiert.
* Eingriffe in die Netzneutralität sind Netzbetreibern gestattet, wenn a) dies transparent auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden geschieht, b) wenn gesetzliche Pflichten es verlangen (z.B. für Notrufe oder Katastrophenschutz) oder c) um Schaden abzuwenden (z.B. zur Abwehr von DDoS-Angriffen)
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Soweit würde ich zustimmen.
grapevine hat geschrieben:...
* Für klassische Dienste, die über ein NGN-Netz betrieben werden, obwohl es sie schon "vor dem Internet" gab, gelten die "Internet-Regeln" ausdrücklich nicht, sondern sie werden so behandelt, als würden sie gemäß der bestehenden Regeln über dedizierte Infrastruktur betrieben. Es wird dabei Umsetzungsdetails geben, die dem Technologiewandel entsprechend kontinuierlich angepasst werden müssen.
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Hier wird es schon bedenklich. Da solche Dienste wie Telefonie oder Fernsehen heute nicht mehr nur mit Hilfe von nur einem Anbieter genutzt werden, kann damit eine Bevorzugung eines Anbieters vor einem anderen Anbieter erfolgen, ohne das dies immer vom Kunden gewünscht ist.
Dem Kunden die (Aus-) Wahl zu lassen, ob er diese "Vor-Internet"-Dienste entsprechend bevorzugt haben will, würde die Lage verbessern.
grapevine hat geschrieben:...
* Bundesnetzagentur und -kartellamt können jeden neuartigen Dienst, der auf dem NGN-Netz eingeführt wird, einer Regulierung unterwerfen, um Fehlentwicklungen zu stoppen.
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Was sollen Bundesnetzagentur und -kartellamt gegen die Buchbarkeit von "Managed Services" einzelner Inhalteanbieter machen, wenn die Möglichkeit von "Managed Services" (im derzeitig von der Telekom beworbenen Sinne) grundsätzlich zugelassen wurde und der Inhalteanbieter keine strafbaren Inhalte zur Verfügung stellt?
Das Problem der Bevorzugung einzelner Anbieter und damit der Behinderung der anderen wird damit nicht gelöst. Denn das Problem tritt im Grunde schon bei jedem neuen "Managed Services" auf - speziell wenn es nicht nur einen Anbieter in dem jeweiligen Bereich gibt.
grapevine hat geschrieben:...
Die Frage nach den Investitionen in Netzinfrastruktur muss davon unabhängig, aber gleichzeitig von der Politik beantwortet werden.
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Auf vernünftige, zu Ende gedachte Antworten von dort warten wir schon seit Jahren...
grapevine hat geschrieben:...
Die Sache mit dem Kuchen kommt plakativ und gierig rüber, aber ohne diese Art von Gier wird der Netzausbau Probleme bekommen. Selbst, wenn der Staat (und nicht private Unternehmen) ein Glasfasernetz bauen würde, müsste er sich mit der Frage beschäftigen, warum er sich Kosten und Risiko an die Backe heftet, damit die Youtubes und Facebooks damit Geld verdienen. Der zweiseitige Marktbegriff greift da eher noch zu kurz.
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Der Staat subventioniert auch Unternehmen, damit sie später möglichst mal Gewinn machen und dann Steuern zahlen.
Der Ausbau der Internet-Infrastruktur wird doch nicht nur wegen Youtube, Facebook usw. betrieben.
Es stehen uns doch noch andere, auch datenintensive Dienste bevor oder schon zur Verfügung.
Bestimmte Entwicklungen bei Bildung, Telearbeit, medizinischer Überwachung und Diagnose usw. werden nur nutzbar, wenn die Infrastruktur entsprechend ausgebaut ist. Dies muss nicht unbedingt ein staatliches Netz sein, aber es muss ein Netz sein, dass eben nicht nur nach den Gesetzen des Marktes aufgebaut wurde. Da der Kunde letztendlich den Ausbau immer mit bezahlt (egal ob direkt an den Netzbetreiber oder indirekt über Inhalteanbieter oder Staat), ändert sich so insgesamt nichts an den Kosten für den Kunden.
Wenn die Zahlungen des Kunden an den Netzbetreiber für den Betrieb des Netzes zu niedrig sind, dann muss der Netzbetreiber eben mehr vom Kunden verlangen. Da dieses Problem alle Netzbetreiber haben müssten, gibt es auch für alle diesen Zwang.
Führt dieses gegenseitige "Niederkonkurrieren" wegen der ggf. zu niedrigen Preise dazu, dass zu wenig Infrastruktur-Ausbau erfolgt, dann hilft nur ein entsprechender Zwang beispielsweise per entsprechender Universaldienst-Verordnung, um hier vorwärts zu kommen und die Kosten entsprechend auf die Kunden der verschiedenen Anbieter zu verteilen. Dies führt dann zu einer Erhöhung dessen, was die Kunden an ihren Anbieter zu zahlen haben.
grapevine hat geschrieben:...
Im Dreiecksverhältnis Inhalteanbieter <-> Netzbetreiber <-> Endkunde sind ja auch ganz andere Konstellationen denkbar, z.B. dass die Inhalteanbieter das Netz finanzieren und der Endkunde ausschließlich für Inhalte zahlt, aber nichts an den Netzbetreiber.
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Das ganze Netz nicht gerade - aber einen Teil dazu beitragen - dies wäre sicherlich besser, als das bisherige Modell der "Managed Services".
Die Gefährdung des Best-Effort-Prinzips wäre hier für den Kunden geringer, da er nicht durch zusätzliche Zahlungen an den Netzbetreiber in Verbindung mit sonst möglichen Drosselungen dazu gezwungen wird, sich auf den einen Anbieter festzulegen, nur um zu vernünftigen Konditionen einen bestimmten Dienst nutzen zu können.
... - erleben was verhindert.
"Grenzen gabs gestern" - heute gibts Verhinderungen.