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Internet-Maut

BeitragVerfasst: 15.02.2008 20:28
von akrstn
In einer Reihe Online-Medien unter anderem bei Heise-Online war heute diese Meldung zu finden wonach die ISP eine Internet-Maut anstreben. Für mich ergibt sich daraus die Frage, was damit erreicht werden soll. Und das bereitet mir doch ein wenig Kopfzerbrechen.

Richtig verwirrt hat mich dann noch die Aussage im ersten Absatz: "Das ist mit enormen Kosten verbunden und diese würden die Netzbetreiber künftig am liebsten auf die Verursacher abwälzen.". Mit Verursacher sind dem weiteren Text folgend offenbar die Diensteanbieter gemeint und nicht die Nutzer. Ich gehe allerdings davon aus, dass ein Datenverkehr erst wirklich zustandekommt, wenn ein potentieller Nutzer eines Angebots dieses auch annimmt also Daten anfordert. Danach wäre aber der Nutzer der Verursacher und nicht wie von ISP behauptet der Anbieter. Auch hier stellt sich wieder die Frage nach dem Warum.

Da ich mir über Ursachen und Wirkungen immer noch nicht ganz im Klaren bin möchte ich zu einigen Detailfragen hier meine Thesen zur Diskussion stellen:
1. Wie funktioniert die Kostenverteilung für den Datenverkehr zur Zeit?
2. Wo sind die Probleme, wenn man eine neue Verteilung anstrebt?
3. Wie sieht die Kostenverteilung nach dem neuen Modell aus?
4. Welche Auswirkungen hat dies auf die Nutzer insbesondere die Schmalbandler?

zu 1)
Auf den ersten Blick ist die Kostenverteilung beim derzeitigen Preismodell recht einfach: Jeder (Anbieter und Nutzer) zahlt die Kosten für seinen Internetzugang und für sein übertragenes Datenvolumen. Wie das Preismodell dabei aussieht (Zeittarif, Volumentarif, Flat) ist eigentlich unerheblich. Es ist immer ein fester Anteil für den Zugang und ein variabler Anteil für das Datenvolumen enthalten. Der Variable Anteil kann dabei pauschaliert worden sein (Flat).
Gehe ich einmal davon aus, dass es sich bei dem Anbieter um einen werbefinanzierten gewerblichen Anbieter handelt, wird es allerdings schon etwas komplizierter. Hier finden sich die Kosten für Internetzugang und Datenvolumen letztlich ja in den Preisen wieder, womit diese eigentlich von denen getragen werden, welche die Produkte des Werbepartners kaufen. Man also also grob davon ausgehen, dass 50% der Kosten des Datenverkehrs von einer anonymen Menge Konsumenten getragen wird.
Sieht man noch etwas genauer hin, so ist auch noch die Frage offen, ob denn Nutzer und Diensteanbieter tatsächlich für die entstehenden Kosten aufkommen. Es mus ja nicht unbedingt so sein, dass der Preis für Internetzugang und Datenvolumen auch tatsächlich den beim ISP entstandenen Kosten (zzgl. Risiko und Gewinn) entspricht. Es kann dabei Abweichungen nach oben oder unten geben, je nachdem welche Antworten ein Anbieter, wie z.B. die im Artikel zu Wort kommende Telekom, auf einige Fragen der Preiskalkulation parat hat:
  • Wie werden die Verwaltungskosten auf die Bereiche (Festnetz, Breitband u.s.w.) umgelegt?
  • Werden die Netzausbaukosten nur auf die Breitbandanschlüsse umgelegt oder auf alle Festnetzanschlüsse?
  • Welcher Anteil an der TAL entfällt auf die Datenübertragung?

zu 2)
Eine erhöhte Anzahl Breitbandanschlüsse hat auch zwangsläufig eine Steigerung des zu übertragenden Datenvolumens zur Folge. Gleichzeitig steigen mit den Möglichkeiten die Volumenintensiven Angebote im Internet. Mit dem Ziel Breitbandkunden zu gewinnen und damit die Einnahmen zu erhöhen wurden die Preise gesenkt. Die Finanzierung der erforderlichen Investitionen in die Netzstruktur erfolgte und erfolgt vermutlich nicht nur aus den Einnahmen im Breitbandbereich sondern auch aus den Einnahmen im klassischen Festnetz. Eine sehr große Anzahl Festnetzkunden hat also das notwendige Geld für einen kleinen Teil Breitbandnutzer aufgebracht. Haben vor wenigen Jahren noch 20 Festnetzkunden die Übertragungskapazitäten für einen Breitbandkunden bezahlt sind es heute nicht einmal mehr 10. Das Verhältnis verschlechtert sich also zunehemnd. Aus diesem Dilemma gibt es eigentlich nur zwei Auswege. Entweder man verbreitert wieder die Einnahmebasis oder man muss die Breitbandnutzer stärker direkt an den Kosten beteiligen also die Preise erhöhen.

zu 3)
Werden mit Hilfe der angestrebten Intenet-Maut die Anbieter stärker an den Kosten beteiligt, so werden diese die Höheren Kosten auf ihre Preise umlegen müssen. Bei werbefinanzierten Anbietern würden damit letztlich die höheren Kosten auf die Preise der Werbepartner umgelegt und von den Konsumenten getragen. Letztlich heißt das, die Einnahmebasis der ISP wird wieder verbreitert (Lösung 1). Für die ISP hat dies den Vorteil, dass die Kundenzahlen bei weiterhin niedrigen Preisen für den Breitbandzugang weiter steigen können. Dabei steigen bei entsprechend zunehmendem Datenvolumen auch gleichzeitig noch die Einnahmen aus der Internetmaut und aus den Übertragungsvolumen der Anbieter.

zu 4)
Für die Schmalbandnutzer wird dies hinsichtlich der Preise für den Zugang kaum Auswirkungen haben. Allerdings werden sie die umgelegten Kosten für den Netzausbau im Onlinehandel mit tragen müssen und wie selbst diejenigen, da gar keinen Internetzugang haben mit der Bezahlung der im Internet beworbenen Leistungen noch einmal einen Anteil zum Netzausbau leisten. Davon profitieren werden sie auch weiterhin kaum. Es wird eher das Gegenteil eintreten. Da die Einnahmebasis gegenüber der Nutzerzahl verbreitert würde und damit die niedrigen Preise für den Breitbandzugang gehalten werden könnten, dürfte auch die Motivation der ISP die Breitbandverfügbarkeit zu erhöhen eher geringer als größer werden.

Re: Internet-Maut

BeitragVerfasst: 16.02.2008 12:00
von ThoRo
Soweit ich die Diskussion um die "Netzneutralität" in den Staaten bisher verstanden habe, geht es - zumindest vordergründig - erst einmal nicht um den Endkunden(preis), sondern darum, daß die Infrastrukturbetreiber das Geld für den notwendigen Netzausbau verstärkt von den großen/erfolgreichen Diensteanbietern haben möchten.

Am Beispiel YouTube läßt sich das sicherlich ganz gut erklären. Die von YouTube verursacheten Datenmengen sind sicherlich enorm. Für die Anbindung des eigenen Rechenzentrums zahlt YouTube (Google) einen Betrag X an seinen Netzwerkdienstleister XYZ. Damit ist dann die Anbindung und das Datenvolumen abgegolten.
Die Daten werden aber irgendwann aus dem Netz des Netzwerkdienstleisters XYZ in andere Netze übergeben - je nachdem wo der Empfänger sitzt, können da einige Übergaben stattfinden. Diese "Datenübergaben" sind, nach Volumen abgerechnet, in Peeringverträgen zwischen den Netzwerkbetreibern festgelegt. Bei gleich großen Netzwerkbetreibern (z.B. alle TIER 1; d.h. die übergebene und empfangene Datenmenge ist annähernd gleich groß) geht das Ganze zumeist als Nullsummenspiel aus. Kleinere müssen meist für das Volumen zahlen.

Aus der Konstellation kann man erkennen, daß nur der Netzwerkdienstleister XYZ direkt von YouTube bezahlt wird und seine Infrastrukturkosten dadurch (anteilig) finanzieren kann. Die anderen müssen zwar die Datenmengen transportieren, das dafür notwendige Geld aber anders erwirtschaften. Deshalb haben die Netzwerkdienstleister solch ein Interesse daran, das "Datenverursacher" auch an sie noch zahlen sollen.

Aus Endkundensicht würde ich behaupten, daß sich die Netzwerkdienstleister untereinander einigen sollten - allem Anschein nach ist das derzeitige Modell der Peeringverträge nicht mehr zukunftsfähig. Wessen Kunden mehr Datenvolumen verursachen als im Gegenzug übergeben wird, der muß halt mehr zahlen.
Schlußendlich wird das dazu führen, daß Breitbandzugänge mit höheren Kapazitäten irgendwann nicht mehr beliebig günstig anzubieten sein werden.

MfG

ThoRo

Re: Internet-Maut

BeitragVerfasst: 16.02.2008 14:31
von akrstn
ThoRo hat geschrieben:Soweit ich die Diskussion um die "Netzneutralität" in den Staaten bisher verstanden habe, geht es - zumindest vordergründig - erst einmal nicht um den Endkunden(preis), sondern darum, daß die Infrastrukturbetreiber das Geld für den notwendigen Netzausbau verstärkt von den großen/erfolgreichen Diensteanbietern haben möchten.


So sehe ich dass auch.

ThoRo hat geschrieben:Am Beispiel YouTube läßt sich das sicherlich ganz gut erklären. Die von YouTube verursacheten Datenmengen sind sicherlich enorm. Für die Anbindung des eigenen Rechenzentrums zahlt YouTube (Google) einen Betrag X an seinen Netzwerkdienstleister XYZ. Damit ist dann die Anbindung und das Datenvolumen abgegolten.


An dieser Stelle bitte nicht vergessen, dass der Endkunde für das ihm verursachte Datenvolumen auch noch einmal bezahlt. Davon abgesehen bin ich bei der Betrachtung eher geneigt dass der Verursacher des Traffic nicht YouTube ist, sondern der Endkunde. Letztlich erfolgt die Datenübertragung der von YouTube bereitgestellten Daten erst auf Anforderung des Kunden.

ThoRo hat geschrieben:Die Daten werden aber irgendwann aus dem Netz des Netzwerkdienstleisters XYZ in andere Netze übergeben - je nachdem wo der Empfänger sitzt, können da einige Übergaben stattfinden. Diese "Datenübergaben" sind, nach Volumen abgerechnet, in Peeringverträgen zwischen den Netzwerkbetreibern festgelegt. Bei gleich großen Netzwerkbetreibern (z.B. alle TIER 1; d.h. die übergebene und empfangene Datenmenge ist annähernd gleich groß) geht das Ganze zumeist als Nullsummenspiel aus. Kleinere müssen meist für das Volumen zahlen.


YouTube zahlt für seinen Traffic an Netzdienstleister X, der Endkunde zahlt für seinen Traffic an Netzdienstleister Y. Wird zur Übertragung noch Netzdienstleister Z benötigt, so zahlen beide einen Anteil für den zwischen X und Y übertragenen Traffic.

ThoRo hat geschrieben:Aus der Konstellation kann man erkennen, daß nur der Netzwerkdienstleister XYZ direkt von YouTube bezahlt wird und seine Infrastrukturkosten dadurch (anteilig) finanzieren kann. Die anderen müssen zwar die Datenmengen transportieren, das dafür notwendige Geld aber anders erwirtschaften. Deshalb haben die Netzwerkdienstleister solch ein Interesse daran, das "Datenverursacher" auch an sie noch zahlen sollen.


Es wird eben nicht nur der Netzdienstleister von YouTube direkt bezahlt, sondern auch der Netzdienstleister des jeweiligen Nutzers. Beide nehmen bei einem evtl. vorhandenen dritten Netzdienstleister Fremdleistungen in Anspruch, für die sie von ihren Einnahmen bei Kunden einen Anteil bezahlen müssen. Sollte der Dritte mehr Durchleiten als selber einleiten, so erhält er das Geld von denen für die er die Durchleitung durchführt. Wer mehr selber einleitet als durchleitet bekommt es von seinen Kunden. Seitens der Endkunden zahlt jeder Kunde für die Gesamtheit der Daten also gesendete und empfangene, wie es ja derzeit auch, abgesehen von der Pauschalierung "Flat", auch ist. Eine Internet-Maut, so wie sie angedacht ist, würde dieses paritätische Verhältnis zu Lasten der Diensteanbieter verschieben.

Re: Internet-Maut

BeitragVerfasst: 19.07.2008 14:42
von thomaspen
ThoRo hat geschrieben:Aus Endkundensicht würde ich behaupten, daß sich die Netzwerkdienstleister untereinander einigen sollten - allem Anschein nach ist das derzeitige Modell der Peeringverträge nicht mehr zukunftsfähig. Wessen Kunden mehr Datenvolumen verursachen als im Gegenzug übergeben wird, der muß halt mehr zahlen.

Der Meinung bin ich ebenfalls, dass dies die Netzbetreiber untereinander regeln sollten. Es kann nicht jeder Diensteanbieter mit jedem Provider der Welt Verträge für eine Internet-Maut schließen. Deshalb sollte auch die Abrechnung des Traffics in der Abfolge erfolgen, wie der Traffic fließt, da hier auch die Übergabepartner und -datenmengen nachvollziehbar sind.