Studien zur digitalen Dividende

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Studien zur digitalen Dividende

Beitragvon bru62 » 04.05.2009 14:52

Manchmal finden sich im Netz doch wahre Schätzchen. So auch im Archiv der BNetzA. Hier habe ich zwei Studien zur digitalen Dividende gefunden:

Wirtschaftliche Auswirkungen der digitalen Dividende in Deutschland (Goldmedia/Mugler - Februar 2009)

Kernsätze:

"Als kurzfristige und zeitliche begrenzte Lösung ist eine Breitband-Versorgung im ländlichen Raum via Funktechnologien unter Nutzung der Rundfunkfrequenzen denkbar. Dies stellt aber keinen langfristigen "Festnetzersatz" dar. Die drahtlosen Verfahren sind für eine mobile Breitbandversorgung mit Internetzugängen unabdingbar. Funkfrequenzen sollten der mobilen Kommunikation vorbehalten bleiben."

Bericht zur Untersuchung der digitalen Dividende (Börnsen - Januar 2009)

Kernsätze:

"Eine wünschenswerte Verkabelung der Bundesrepublik Deutschland mit Lichtwellenleitern mit dem Ziel einer flächendeckenden breitbandigen Kommunikationsversorgung wird realistischerweise einen Zeitraum von ca. 20 Jahren in Anspruch nehmen. Insbesondere unterversorgte ländliche Regionen ... werden keinesfalls früher in den Genuss einer Festnetzversorgung für namhafte Bandbreiten kommen. Für den genannten Zeitraum ist es unzumutbar, diese Regionen mit lediglich geringer Bandbreite zu versorgen, ... Vielmehr ist eine Bandbreite oberhalb von 1 Mbit/s als Minimum flächendeckend zur Verfügung zu stellen. Kurzfristig ist dieses Ziel nur zu erreichen, wenn Funklösungen ... genutzt werden, weil nur diese ... einen wirtschaftlichen Ausbau ermöglichen.
...
Der Frequenzbedarf für drahtlose breitbandige Kommunikationssysteme beläuft sich bei einer zu gewährleistenden Bandbreite von 6 Mbit/s auf ca. 167 MHz. Mit den derzeit zur Disposition stehenden 72 MHz ließe sich eine Versorgung mit 2 bis 3 Mbit/s sicherstellen. Die Unternehmen der Telekommunikationsindustrie versichern, zügig eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen, sobald die politischen Entscheidungen getroffen sind."

Ich kann die Lektüre der Studien nur wärmstens empfehlen. Es finden sich viele (auch ernüchternde) Antworten.

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Re: Studien zur digitalen Dividende

Beitragvon dachscher » 04.05.2009 16:21

Ich bin zwar erst bis Seite 22 der ersten Studie durchgedrungen, aber das reicht schon...
Interessant die Aussage zu Wittstock: Wenn man 1 Mbit/s zugrunde legt, würde die Versorgung gerade einmal für 60 Teilnehmer reichen. Oder anders gesagt, wenn alle potentiellen Nutzer in Wittstock mit der DD versorgt werden sollen, dann kommen nur sehr kleine Basisdatenraten, man spricht hier von 5 - 84 kbit/s, heraus. Aha, da war ich ja schon mit einem ISDN-Anschluss und Kanalbündelung schneller. ;)
Was bringt dann die DD? Gut, Wittstock hat wohl 10.000 Einwohner. Bei weniger Einwohnern und demzufolge weniger Nutzer geht die Datenrate nach oben. In der Studie heisst es ja: "Echte Breitbanddatenraten erfordern deshalb entweder kleinste Einwohner- bzw. Nutzerdichten oder kleinste Zellradien." Und ob sich dann aber ein Ausbau für die Unternehmen lohnt? Man will doch mit der DD vor allem Sendetürme einsparen aufgrund der größeren Reichweite. Wie passt das dann zusammen?
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Re: Studien zur digitalen Dividende

Beitragvon bru62 » 04.05.2009 16:42

dachscher hat geschrieben:Wie passt das dann zusammen?
Ich nehm das mal vorweg: Man glaubt, mit Quersubventionierung (sprich: Einsatz in Ballungsräumen und ländlichen Gebieten) eine wirtschaftlich tragfähige Lösung zu finden. Für manche wird aber wohl nur SAT bleiben. :(

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Re: Studien zur digitalen Dividende

Beitragvon Tybalt » 04.05.2009 19:56

Das mit den Quersubventionen wird ja bei Festnetz auch nicht gemacht, wieso sollten sie das dann bei Mobilfunk machen? Im Gegenteil: ich würde sagen, beim Festnetz subventionieren die Landeier per ISDN die Ballungsräume quer.

Grüße
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Re: Studien zur digitalen Dividende

Beitragvon Viro » 07.05.2009 22:54

Was bringt dann die DD? Gut, Wittstock hat wohl 10.000 Einwohner. Bei weniger Einwohnern und demzufolge weniger Nutzer geht die Datenrate nach oben. In der Studie heisst es ja: "Echte Breitbanddatenraten erfordern deshalb entweder kleinste Einwohner- bzw. Nutzerdichten oder kleinste Zellradien." Und ob sich dann aber ein Ausbau für die Unternehmen lohnt? Man will doch mit der DD vor allem Sendetürme einsparen aufgrund der größeren Reichweite. Wie passt das dann zusammen?

Die Qualität der Widersprüche hat ähnliches Niveau wie bei allen anderen Lösungen, die bisher auf Funkbasis angedacht wurden. Niveau ist in dem Fall auch keine Hautcreme. Peinlich ist doch nur, dass sich das ganze nicht wie früher alle paar Jahre Wiederholt, sondern nun offenbar im Monatstakt.
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Re: Studien zur digitalen Dividende

Beitragvon bru62 » 21.06.2009 17:52

Noch eine interessante Studie hat der Freistaat Sachsen in Auftrag gegeben:

Studie zur Abschätzung des Potenzials drahtloser Telekommunikationstechnik für die Breitbanderschließung insbesondere des ländlichen Raumes (knapp 3 MB)

Besonders bemerkenswert ist, dass die Studie vom Vodafone Stiftungslehrstuhl Mobile Nachrichtensysteme erstellt wurde. Das heißt, die Wirtschaft stiftet Forschung, die von der Regierung mit Steuermitteln wieder bezahlt wird. Über das letztliche Ergebnis der Studie dürfte also kein Zweifel bestehen: "... sind die Bänder im Bereich von 790 bis 862 MHz klar für die drahtlose Breitbandversorgung ländlicher Regionen ... zu präferieren."

Und unverhohlen wird nach mehr verlangt: "Für eine längerfristige Breitbandversorgung im ländlichen Raum ist durch den weiter steigenden Bandbreitenbedarf die Bereitstellung zusätzlichen Spektrums im Bereich unterhalb 1 GHz zu diskutieren."

Wenn das kein Hinweis auf interessengesteuerte Politik ist.

Wir dürfen uns also darauf vorbereiten, dass man schon in Kürze nach weiteren Frequenzen lechzen wird, die dann selbstverständlich das Problem der bestehenden Unterversorgung endgültig lösen werden.

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Re: Studien zur digitalen Dividende

Beitragvon essig » 22.06.2009 13:20

bru62 hat geschrieben:Besonders bemerkenswert ist, dass die Studie vom Vodafone Stiftungslehrstuhl Mobile Nachrichtensysteme erstellt wurde. Das heißt, die Wirtschaft stiftet Forschung, die von der Regierung mit Steuermitteln wieder bezahlt wird. Über das letztliche Ergebnis der Studie dürfte also kein Zweifel bestehen: "... sind die Bänder im Bereich von 790 bis 862 MHz klar für die drahtlose Breitbandversorgung ländlicher Regionen ... zu präferieren."

so läuft das eben wobei man noch von glück reden kann, dass sich die konzerne überhaupt noch die mühe machen über studien einfluss zu nehmen. demnächst wird dann direkt bei den regierungen und ministerien bestellt was "aus ökonomischer sicht sinnvoll erscheint".

die studie ist technisch sicher interessant und ich hoffe auch weitgehend korrekt aber beim fazit kommen starke zweifel auf. andere wissenschaftler kämen vermutlich bei gleichen technischen grundlagen und aussagen zu dem entgegengesetzten ergebnis, nämlich, dass die frequenzen aus der DD selbst unter günstigsten bedingungen keine echte lösung darstellen können. auf grund der studie darf man sogar bezweifeln ob funk überhaupt in der lage ist relativ schnell zu einer dauerhaften, nachhaltigen lösung beizutragen.

diese "Studie zur Abschätzung des Potenzials drahtloser Telekommunikationstechnik für die Breitbanderschließung insbesondere des ländlichen Raums in Sachsen" läuft so unendlich unkritisch auf die digitale dividende hinaus, dass dies vielleicht sogar der auftraggeber (sächsischen staatsministeriums für umwelt und landwirtschaft) bemerken sollte. beim lesen überkommt einen immer wieder das gefühl, dass es sich um die präsentation eines mobilfunkbetreibers mit interesse an der DD handelt aber nicht um eine neutrale wissenschaftliche studie. von der seit monaten stärker werdenden kritik und den aufkommenden zweifeln ist diese studie weitgehend befreit und wenn doch dann sind probleme entweder in nebensätzen versteckt oder es wird gleich die passende lösung präsentiert.

man hätte zu beginn der studie oder am besten gleich durch den auftraggeber klarer definieren sollen was man für den ländlichen raum erreichen will? will man das problem der digitalen spaltung lösen indem man dem ländlichen raum 1-2 mbit plus volumenbegrenzung zu relativ hohen preisen zur verfügung stellt während man in sächsischen ballungsräumen 50 oder 100 mbit ohne volumenbegrenzung relativ günstig bekommen wird? oder will man den ländlichen raum halbwegs angemessen und vergleichbar versorgen (6 oder 16 mbit ohne volumenbegrenzung)? dann kommt die DD einfach nicht in frage und man hätte sich die studie sparen können.

dann kämen nämlich nur die leistungsstarken dafür reichweitenschwachen höheren frequenzen in frage bei denen aber nahezu jede betroffene gemeinde eine eigene per glasfaser oder richtfunk angebundene basisstation bräuchte und da sind wir beim alten problem: wirtschaftlichkeit

was ich auch nicht verstehe warum man die studie bereits so spezialisiert in auftrag gegeben hat. wenn man das breitbandproblem lösen will hätte man doch auch eine allgemeine technologieneutrale studie in auftrag geben können und zwar bei einer interdisziplinär agierenden einrichtung. wenn ich ein städtisches verkehrsproblem lösen will dann gebe ich die studie dazu wo in auftrag? genau beim stiftungslehrstuhl der deutschen bahn ag für moderne schienensysteme. die kommen dann in ihrer studie ganz bestimmt zum ergebnis, dass busse oder ein modernes verkehrsleitsystem die geeigneten mittel sind um das breitbandproblem zu lösen. schon klar...

ps: das man in der studie google maps screenshots verwendet kann man als gewagt bezeichnen ;)
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